Kirchen: Soziale Kälte schmelzen lassen

Die Kirchen haben an Pfingsten vor Egoismus gewarnt und Veränderungen im Lebensstil angemahnt. Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, rief in seiner Pfingstpredigt dazu auf, das "Eis der sozialen Kälte" durch mehr Zuwendung zum Nächsten zum Schmelzen zu bringen. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, forderte zum Umdenken im Konsumverhalten auf.

Der Freiburger Erzbischof Zollitsch warnte vor Egoismus und der Illusion eines Lebens in völliger Unabhängigkeit. "Wir brauchen ein Leben lang andere Menschen, weil wir ohne Hilfe gar nicht existieren können", sagte er am Sonntag im Freiburger Münster. Die Gesellschaft brauche auch im digitalen Zeitalter Zeiten und Orte, an denen Menschen sich persönlich begegnen, einander zuhören und Rat geben, Trost spenden und Hilfe leisten.

Der EKD-Ratsvorsitzende Schneider nannte es in seiner Botschaft zum Pfingstfest einen "Irrglauben", Wohlstand für alle durch immerwährendes Wirtschaftswachstum erzielen zu können. "Unsere Welt braucht eine gerechtere Verteilung der Güter und ein neues Wachstumsmodell, das sich nicht allein an der Höhe des Bruttoinlandsprodukts misst, sondern ein qualitatives Wachstum befördert", sagte der rheinische Präses.

Der pfälzische Kirchenpräsident Christian Schad bekräftigte zum Pfingstfest das Eintreten der Kirche für die Schwachen in der Gesellschaft. Die vom Pfingstgeist beseelte Kirche wolle "Mund sein für die Stummen, die sich nicht wehren können", sagte der evangelische Theologe in Speyer.

Auch der katholische Aachener Bischof Heinrich Mussinghoff rief in einer Festmesse am Sonntag zur Solidarität der Christen mit Menschen auf, die in Not und Armut leben. Viele Kinder in Ost- und Südeuropa hungerten und bettelten, sagte Mussinghoff. Viele hätten keine Familien und lebten auf der Straße. Der Aachener Bischof predigte zum diesjährigen Abschluss der Aktion Renovabis, der Solidaritätsaktion der deutschen Katholiken mit Menschen in Mittel-, Ost- und Südosteuropa.

Pfingsten gilt als das "Fest des Heiligen Geistes" und ist nach Weihnachten und Ostern das dritte Hauptfest des Kirchenjahres. Der Name geht auf das griechische Wort "pentekoste" (der fünfzigste) zurück, weil das Pfingstfest seit Ende des vierten Jahrhunderts 50 Tage nach Ostern gefeiert wird. In Erinnerung an die Ausgießung des Heiligen Geistes wird Pfingsten auch als "Geburtstag der Kirche" und Beginn der weltweiten Mission verstanden.

Traditionell finden zu Pfingsten zahlreiche Freiluftgottesdienste statt. Die Botschafterin des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland für das Reformationsjubiläum 2017, Margot Käßmann, predigte am Pfingstmontag vor rund 2.000 Menschen auf dem hannoverschen Stephansplatz. "Pfingsten ist nicht der Geburtstag der Reformierten, der Lutheraner, der Katholiken oder der Baptisten, sondern der Geburtstag der Kirche", sagte die frühere EKD-Ratsvorsitzende und ehemalige hannoversche Landesbischöfin. "Es ist die eine, geglaubte Kirche, die die Botschaft von der Liebe Gottes in die Welt bringen will." Die Theologin wirbt seit April als Botschafterin mit Vorträgen und Gottesdiensten für das 500. Reformationsjubiläum im Jahr 2017.

Zum 61. Bayerischen Kirchentag auf dem mittelfränkischen Hesselberg kamen am Montag knapp 16.000 Menschen. Dabei warb Bayerns evangelischer Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm für eine positive Streitkultur in der Kirche. Zu christlichen Pfingsttreffen in Baden-Württemberg versammelten sich bereits am Sonntag rund 14.000 Menschen. An dem Treffen des Diakonissenmutterhauses Aidlingen, dem größten christlichen Pfingsttreffen Deutschlands, nahmen nach Angaben der Veranstalter rund 9.500 junge Menschen teil. Etwa 4.500 Teilnehmer zählte das Pfingsttreffen der Liebenzeller Mission.

29. Mai 2012