Profilierter Protestant - Eine Biografie zeichnet das Wirken des Theologen Wolfgang Huber nach

Frankfurt a.M. (epd). Im August wird Wolfgang Huber 70 Jahre alt. Zum runden Geburtstag erscheint eine erste Biografie über den angesehenen evangelischen Theologen. Vor wenigen Monaten, als eine "überparteiliche Lösung" für das Amt des Bundespräsidenten gesucht wurde, gehörte Huber zu den aussichtsreichen Kandidaten für das höchste Amt im Staat. Seine "kritische Biografie" über den profilierten Protestanten wäre im Falle der Wahl wohl zu einem Bestseller geworden, ist der Autor und "taz"-Journalist Philipp Gessler überzeugt.

Huber gilt aber auch so als eine "intellektuelle und moralische Instanz". Sein Werdegang als Theologe, seine spannende Familiengeschichte, sein Wirken als Berliner Bischof und an der Spitze der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), deren Gesicht er von 2003 bis 2009 war, bieten genügend Stoff für eine Lebensbeschreibung. "Wolfgang Huber hat ein Leben für den Protestantismus und für die Politik geführt", resümiert der Autor. Am Donnerstag stellte der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel die Huber-Biografie in Berlin vor.

Auch drei Jahre nach seinem Abschied von seinen kirchlichen Leitungsämtern ist Huber gefragt - innerkirchlich wie außerkirchlich. Allein im Juni predigt er in Brandenburg an der Havel sowie in Rösrath und Berlin. Beim Kongress für Intensivmedizin spricht der Sozialethiker zur Eröffnung, in Freiburg und Frankfurt hält er Vorträge vor Ärzten und einem Manager-Netzwerk. Eine Fernsehaufzeichnung und ein Auftritt beim XI. Internationalen Bonhoeffer-Kongress im schwedischen Sigtuna finden sich ebenfalls unter den Terminen.

In seinem Buch stützt sich Gessler neben Gesprächen mit Wolfgang und Kara Huber, den Kindern und anderen Angehörigen auch auf Eindrücke und Einschätzungen von Mitarbeitern, Weggefährten und Zeitgenossen - darunter Kirchenleute, Politiker, Professorenkollegen und Schüler. Dabei erfährt der Leser nicht allein von dem neuen Selbstbewusstsein, zu dem der "Antreiber" der evangelischen Kirche in der Begegnung mit der katholischen Kirche, ebenso wie im Austausch mit den gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Eliten verhalf. Auch Hubers Eintreten für den Religionsunterricht in Berlin und sein Reformkurs "Kirche der Freiheit" im evangelischen Föderalismus und gegen Selbstsäkularisierung werden beleuchtet.

Der Autor spürt ebenso der von Bonhoeffer beeinflussten Theologie Hubers nach, dem lange Zeit das Etikett eines "Linksprotestanten" anhaftete. Ob als Hochschullehrer, stellvertretender Leiter der evangelischen Forschungsstätte, Kirchentagspräsident, Bischof oder EKD-Ratvorsitzender, die Grundmelodie in Hubers Werdegang bleibt "Kirche und Öffentlichkeit".

Und die Biografie buchstabiert die großen Themen, denen sich Huber zeitlebens verschrieben hat: Ökumene, Staatskirchenrecht, Islam, Menschenrechte und die Debatte über Leben und Tod: "Das ist ja eines meiner großen Themen: der ethisch verantwortbare Umgang mit den voranschreitenden Erkenntnissen und Möglichkeiten der Biowissenschaften, gerade mit Blick auf die Grenzsituationen zu Beginn und am Ende des Lebens", sagt der Sozialethiker.

Auch der Frage, ob der angesehene Theologe in seinen vielfältigen Ämtern "nachgedunkelt" sei, spürt die Lebensbeschreibung nach: "Das trifft zu, wenn man unter Nachdunkeln ein stärkeres Wertlegen auf die persönliche Frömmigkeit und auf den missionarischen Auftrag der Kirche versteht", meint Huber selbst.

Beunruhigen würde ihn die Vorstellung, dass er sich über die Jahre nicht verändert habe. Und der langjährige Präses der EKD-Synode und SPD-Politiker Jürgen Schmude findet: "Wenn man die 65 überschritten und mehr Lebenserfahrung angesammelt hat, dann mischt sich das, was man früher erlebt hat, mit dem, was man jetzt erkennt. Da kann man ziemlich dunkel werden."

Überdies erhält der Leser Einblicke in das Familienleben Hubers, der in der Öffentlichkeit vor allem als kluger Analytiker und mit brillanten Reden und Predigten besticht. Huber wurde am 12. August 1942 als jüngster von fünf Söhnen im damals deutsch besetzten Straßburg geboren. Die eher kirchenfernen Eltern sind beide Juristen.

Vater Ernst Rudolf war einer der führenden Verfassungsrechtler in der NS-Zeit, mit dessen steiler Karriere es mit dem Kriegsende vorbei war. Seine Mutter Tula, die in den kargen Nachkriegsjahren die Familie als Anwältin ernährte, war Tochter des Reichsaußenministers und Präsidenten des Reichsgerichts, Walter Simons (1861-1937). Hubers Frau Kara ist Lehrerin. Mit ihr hat er drei erwachsene Kinder. Gerade die familiären Verflechtungen in den Zweigen der Familie Huber, die Gessler behutsam nachzeichnet, liefern manchen Anhaltspunkt für das Handeln und Selbstverständnis des dynamischen Kirchenmanns.

14. Juni 2012