Kirchenvertreter warnen vor Lohnsenkungen durch Pflegereform

Berlin/Mainz (epd). Katholische und evangelische Kirchenvertreter warnen vor Lohnsenkungen durch die geplante Pflegereform. Die Tarifpartner im Deutschen Caritasverband erklärten am Mittwoch in Mainz, mit der Reform würden die Pflege-Mindestlöhne zur Richtgröße für die Kosten-Verhandlungen gemacht. Ähnlich äußerte sich der Bevollmächtigte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Prälat Bernhard Felmberg, in Berlin.

Zu einer solchen Entwicklung dürfe es nicht kommen, betonte die Arbeitsrechtliche Kommission des katholischen Wohlfahrtsverbandes, in der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite paritätisch vertreten sind. Andernfalls müsse der Mindestlohn in der Pflege auf mindestens zehn Euro pro Stunde erhöht werden.

Die Pflegereform soll am Freitag vom Bundestag verabschiedet werden und im kommenden Jahr in Kraft treten. Eine Regelung, die bisher wenig Beachtung gefunden hat, sieht vor, dass Altenheimbetreiber und ambulante Dienste künftig auch dann eine Zulassung erhalten, wenn sie nicht die ortsüblichen Löhne zahlen, sondern nur den Mindestlohn. Das ist bisher nicht möglich. Die Mindest-Stundenlöhne betragen seit Januar 8,75 Euro im Westen und 7,75 Euro im Osten Deutschlands.

Der EKD-Bevollmächtigte in Berlin und Brüssel, Felmberg, warnte auf einem Pflegekongress in Berlin ebenfalls davor, dass der Mindestlohn in der Pflege zur neuen Normgröße werden könne. Die evangelische Kirche verfolge die Entwicklungen im Pflegebereich mit Sorge. Pflege werde zu einem Mangelberuf. Der zunehmende Druck auf Arbeitszeit und Löhne sei sicherlich keine Lösung, die Pflegeberufe attraktiver zu machen, sagte Felmberg.

Bereits Anfang Juni hatten sich beide Kirchen an die Fraktionsvorsitzenden und Fachpolitiker von Union und FDP gewendet und erklärt, die Pflegereform werde den Druck auf die Löhne im Pflegebereich erheblich erhöhen. Kirchliche Einrichtungen mit ihrem vergleichsweise hohen Vergütungsniveau befänden sich schon heute in einer teilweise existenzbedrohenden Wettbewerbssituation. Es sei "schädlich", so die Kirchen, diese weiter zu verschärfen. Pflege und Betreuung hilfsbedürftiger Menschen müssten die ihnen zukommende Anerkennung erfahren.

Die Caritas-Kommission erklärte, die Pflegereform dürfe den katholischen Wohlfahrtsverband nicht dazu zwingen, die Löhne zu senken, um am Markt zu bleiben. Der Mindestlohn liege deutlich unter den kirchlichen und tarifvertraglichen Vergütungen. Wenn der Bundestag den Weg für Lohnsenkungen freimache, werde die Arbeitsrechtliche Kommission der Caritas die erneute Einberufung der Pflegemindestlohn-Kommission verlangen. Diese Kommission, in der neben den Kirchen auch die privaten und kommunalen Anbieter sowie die Gewerkschaften vertreten waren, hatte 2010 den geltenden Mindestlohn ausgehandelt.

Die Grünen haben im Bundestag einen Änderungsantrag gestellt, in dem sie die Beibehaltung der bisherigen Praxis verlangen. Wenn der Mindestlohn zum Normlohn werde, verschärfe die schwarz-gelbe Regierung den Fachkräftemangel in der Pflege, so die pflegepolitische Sprecherin der Fraktion, Elisabeth Scharfenberg.

28. Juni 2012