Gauck: Kirchen halten Einsatz für den "fernen Nächsten" lebendig

Bundespräsident Joachim Gauck hat die Erfolge der Kirchen in der Entwicklungszusammenarbeit gewürdigt. Sie hielten den Einsatz für den "fernen Nächsten" lebendig, sagte der Bundespräsident am Donnerstag in Bonn laut vorab verbreitetem Redemanuskript. Sie seien früh Teil der Bewegungen gewesen, die sich gegen strukturelle Ungerechtigkeit wandten und zum Nachdenken über den eigenen Lebensstil anregten. Gauck sprach beim Festakt anlässlich der 50-jährigen Zusammenarbeit zwischen Staat und Kirchen in der Entwicklungspolitik.

Die Kirchen "bleiben eine unersetzliche Stimme im Chor derjenigen, für die ein Leben in Fülle sich gerade nicht am Kontostand der Kreditkarte entscheidet", ergänzte Gauck. Mit Hilfe ihres großen Kontaktnetzes könnten sie Menschen erreichen, zu denen anders kein Zugang besteht. In Deutschland könnten sie "abstrakte globale Fragen" begreifbar machen. So erhielten sie den Willen am Leben, die Ursachen von Armut zu bekämpfen: "Die Kirchen lassen sich nicht entmutigen - so verwundert es nicht, dass die kirchliche Entwicklungszusammenarbeit bisweilen ein höheres Ansehen genießt, als die staatliche", sagte er.

In seiner ersten großen Rede zur Entwicklungspolitik als Bundespräsident äußerte Gauck sich auch kritisch zur Rolle der Zusammenarbeit mit armen Ländern. Er kenne Zyniker, die in der Entwicklungszusammenarbeit "eine zwar gut bezahlten, aber sinnlosen Job sehen", sagte Gauck. Eine "Entwicklungsindustrie" dürfe aber nie ihre eigenen Interessen über die Entwicklung der Partner setzen. Es gehe darum, Menschen dabei zu unterstützen, ihre eigenen Verantwortungspotenziale zu leben.

Das Staatsoberhaupt betonte, Entwicklungsarbeit müsse eine Gemeinschaftsaufgabe mit den Betroffenen vor Ort sein. Viele große Entwicklungspläne seien "am grünen Tisch ersonnen" worden, ohne dass es wirklichen Kontakt zu den Bedürftigen gegeben habe. Auch bei den Missionaren waren "viele weiße Besserwisser am Werk". Sicher sei auch, dass die Kirchen zu Ungerechtigkeiten der Kolonialzeit oft geschwiegen hätten, sagte Gauck.

Der Bundespräsident warnte zugleich davor, in der Entwicklungszusammenarbeit unrealistische Erwartungen zu wecken: "Transferleistungen alleine konnten auch im Osten Deutschlands keine blühenden Landschaften entstehen lassen - sie waren nur ein Baustein in einer großen gemeinschaftlichen Aufbauleistung." Um ein Land in den Wohlstand zu führen, brauche es auch "vernünftige Politik und passende Rahmenbedingungen".

Zugleich müsse man aufpassen, Entwicklungspolitik nicht zu überfrachten, betonte er. Zentral müsse der Kampf gegen Armut und Ungerechtigkeit sein. So verstanden sei Entwicklung eine "ganzheitliche Aufgabe" für Politik und Gesellschaft, Staat und Kirche, schloss Gauck.

Das 50-jährige Bestehen der engen Zusammenarbeit zwischen Staat und Kirche in der Entwicklungspolitik wurde am Donnerstag in Bonn mit einem Gottesdienst und einem Festakt gefeiert. Für die Zusammenarbeit mit der Bundesregierung haben die beiden großen Kirchen 1962 die Evangelische und die Katholische Zentralstelle für Entwicklungshilfe gegründet. Das Entwicklungsministerium weist den Kirchen alljährlich Mittel für die Arbeit in Afrika, Asien und Lateinamerika zu. 2012 waren das jeweils 108 Millionen Euro.

06. September 2012

EKD-Pressemitteilung

Evangelischer Entwicklungsdienst 
Katholische Zentralstelle für Entwicklungsdienst