"Jagd nach Zitatfetzen hat nichts mit Wissenschaft zu tun"

Drei Fragen an den evangelischen Theologieprofessor Wolfgang Huber zur Plagiatsdebatte

Altbischof Wolfgang Huber rügt das Verfahren zur Überprüfung der Plagiatsvorwürfe gegen Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU). Er sei empört darüber, dass ein internes Gutachten der Universität Düsseldorf in die Öffentlichkeit lanciert wird, bevor sich Schavan habe äußern können, sagte der Theologieprofessor dem Evangelischen Pressedienst (epd). Huber: "Wenn der Ruf eines Menschen auf eine solche Weise beschädigt wird, finde ich das absolut unwürdig."

Unlautere Täuschung oder absichtliches Vertuschen von Quellen dürfe in der Wissenschaft keinen Platz haben, sagte Huber. Aber die Jagd nach nicht korrekt nachgewiesenen Zitatfetzen habe auch nichts mit Wissenschaft zu tun. Am Wochenende war das Gutachten bekanntgeworden, in dem Schavan vorgeworfen wird, in ihrer Doktorarbeit Textpassagen ohne sauberen wissenschaftlichen Beleg von fremden Autoren übernommen und dabei bewusst getäuscht zu haben.

epd: Bundesbildungsministerin Schavan steht wegen ihrer Doktorarbeit unter Druck. In dem Verfahren der Universität Düsseldorf ist sie bisher noch nicht gehört worden. Findet in der Öffentlichkeit derzeit eine Vorverurteilung statt?

Unlautere Täuschung oder absichtliches Vertuschen von Quellen darf in der Wissenschaft keinen Platz haben. Aber die Jagd nach Zitatfetzen, die nicht korrekt nachgewiesen sind, hat auch nichts mit Wissenschaft zu tun. Besonders verwerflich finde ich, wie mit dieser Art von Zitatklauberei Geschäfte gemacht werden. Ebenso bin ich darüber empört, dass ein internes Gutachten der Universität Düsseldorf in die Öffentlichkeit lanciert wird, bevor die Betroffene sich äußern konnte und die Universitätsgremien beraten haben. Wenn der Ruf eines Menschen auf eine solche Weise beschädigt wird, finde ich das absolut unwürdig.

epd: Sie waren selbst lange Zeit in der Wissenschaft. Was würden Sie den zuständigen Gremien der Universität raten?

Akademische Gremien sind Hüter der Wissenschaft und ihrer Regeln, sollten sich aber auch vor politischer Instrumentalisierung hüten. Sie haben die Pflicht, Fehler aufzudecken, müssen diese aber zum Gehalt einer Arbeit insgesamt in Beziehung setzen. Auch bei Kritik haben sie sich selbst an die Regeln zu halten. Dazu gehört, die Integrität der Betroffenen zu achten und ihnen faires Gehör zu gewähren.


epd: Mehrere Politiker haben in den vergangenen Monaten ihren Doktortitel verloren, nachdem ihnen Plagiate nachgewiesen worden waren. Sind die Wissenschaftsvereinigungen gefragt, die Standards für wissenschaftliches Arbeiten zu verändern?

Nein, veränderte Standards für wissenschaftliches Arbeiten brauchen wir nicht, sondern sorgfältigere Betreuung. Das ist natürlich nur möglich, wenn der Doktortitel nicht als Massenware behandelt wird. Was nötig ist, sind Standards für die Annahme von Doktoranden und für deren Betreuung.

16. Oktober 2012