Toleranz als Akt der Freiheit

Hannover (epd). Die Kirchen und die meisten Religionen sind nach den Worten des evangelischen hannoverschen Landesbischofs Ralf Meister "kein Beispiel gelebter Toleranz". "Sie waren oftmals die Institutionen, die mit ihren Wahrheitsansprüchen besonders intolerant waren", kritisierte Meister am Sonntag in einem Fernsehgottesdienst, den das ZDF live aus der hannoverschen Neustädter Hof- und Stadtkirche übertrug. Deshalb müsse die Geschichte der Toleranz der christlichen Religion mit einem Schuldeingeständnis beginnen.

Unter Berufung auf die Bibel seien Andersgläubige verfolgt und ermordet, Menschen anderer Hautfarbe diskriminiert und Frauen von religiöser und gesellschaftlicher Anerkennung ausgeschlossen worden, prangerte Meister an. Die Kirchen hätten die Achtung gegenüber einer anderen Position mühsam gelernt. "Mit Hilfe der Vernunft - und nicht mit dem Glauben - konnte man sich so weit verständigen, dass ein achtungsvolles Nebeneinander und manchmal sogar Miteinander möglich sein sollte."

Aber auch jeder Einzelne stehe in der Gefahr, intolerant zu sein, mahnte Meister. Für viele Menschen reiche schon das Wort Muslim, um im Kopf Bilder von Gewalt und Unterdrückung heraufzubeschwören. Toleranz bedeute demgegenüber zwar nicht Gleichgültigkeit, sondern ein Ja zur eigenen und ein Nein zu anderen Haltungen. "Aber ich gebe diesem anderen Respekt, weil ich weiß, dass ich selbst auch nicht fertig bin mit der Wahrheit."

So werde Toleranz ein Akt der Freiheit, betonte der hannoversche Landesbischof und ergänzte: "Sie gibt den Menschen einen freien Raum der Verständigung und beschreibt einen Lernweg - so fremd sie einander auch sind."

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat 2013 zum Themenjahr "Reformation und Toleranz" der Lutherdekade erklärt. Damit ist zugleich Halbzeit der Dekade, mit der die Kirche sowie Bund, Länder und Gemeinden das 500. Reformationsjubiläum 2017 vorbereiten. In der Lutherdekade, die 2008 startete, steht jedes Jahr ein anderes Thema im Mittelpunkt. Martin Luthers (1483-1546) Thesenanschlag von 1517 in Wittenberg gilt als Ausgangspunkt der Reformation, aus der die protestantischen Kirchen hervorgegangen sind.

ZDF-Fernsehgottesdienst

14. Januar 2013