Diakonie: Tafeln entlassen Staat aus Verantwortung

Berlin (epd). Die Berliner Diakonie-Direktorin Susanne Kahl-Passoth hat die wachsende Abhängigkeit armer Menschen von Tafeln kritisiert. "Die Tafeln entlassen Staat und Unternehmen aus ihrer Verantwortung", sagte Kahl-Passoth dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Berlin. "Tafeln können nur eine Übergangslösung sein - 20 Jahre Tafeln sind Übergang genug", sagte Kahl-Passoth.

Die mittlerweile mehr als 900 Tafeln in deutschen Städten und Gemeinden füllten "die Lücke, die durch Abbau staatlicher Leistungen zulasten der Schwachen entstanden ist". Es sei beschämend für den Sozialstaat, "wenn es nur mithilfe der Lebensmittel von der Tafel gelingt, als Familie mit Kindern oder als Alleinerziehende über die Runden zu kommen".

Kahl-Passoth kündigte an, dass das Diakonische Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz sich dem "Kritischen Aktionsbündnis 20 Jahre Tafeln" anschließen wird. "Wir fordern eine armutsfeste Grundsicherung." Ziel sei es, die Tafeln überflüssig zu machen. "Dazu ist aber die Politik gefragt", betonte die Diakonie-Chefin.

"Arm trotz Arbeit - das können nur armutsfeste Mindestlöhne verhindern", sagte Kahl-Passoth weiter. Der starke Anstieg prekärer Beschäftigungsverhältnisse sei einer der Gründe dafür, dass immer mehr Menschen auf Tafeln angewiesen seien.

Die Berliner Diakonie-Direktorin spricht sich zudem für die Wiedereinführung einer Vermögenssteuer aus, "um unsere Gesellschaft wieder gerechter zu machen". Dies werde teilweise von Vermögenden selbst gefordert. "Diese Mittel würden wieder mehr Spielräume für Investitionen in eine öffentliche Infrastruktur ermöglichen, die vor allem einkommensarmen Menschen zugute kommt", sagte Kahl-Passoth. Nicht zuletzt müssten Einrichtungen, die beispielsweise Wohnungslose betreuen, so ausgestattet sein, dass sie für den täglichen Betrieb nicht auf Tafelspenden angewiesen sind.

20 Jahre nach Gründung der ersten deutschen Tafel in Berlin werden heute nach Schätzungen des Bundesverbandes Deutsche Tafel inzwischen rund 1,5 Millionen Menschen, darunter viele Rentner, Arbeitslose und Kinder, regelmäßig mit Lebensmitteln versorgt. Möglich wird dies unter anderem durch das ehrenamtliche Engagement von 50.000 Menschen und durch Lebensmittelspenden von Supermärkten und Restaurants.

27. März 2013