Sieben Wochen ohne falsche Gewissheiten

Landesbischöfin Junkermann: "Gewohnheiten infrage stellen"

"Selber denken! Sieben Wochen ohne falsche Gewissheiten" lautet das Motto der diesjährigen evangelischen Fastenaktion. Sie beginnt am Aschermittwoch (5. März) und endet am Karsamstag (19. April). Die Aktion möchte Menschen anregen, aus fragloser Routine und halben Wahrheiten herauszukommen sowie nachzufragen und neuzudenken. Auch in der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) ist das Fasten für viele Christinnen und Christen ein fester Bestandteil des Kirchenjahres. Viele verzichten beispielsweise auf Alkohol, Zigaretten, Fleisch, Süßigkeiten oder eingeschliffene Gewohnheiten.

"Es braucht eine Portion Mut, um Gewohnheiten und Traditionen infrage zu stellen - bei der Arbeit, in der Familie oder in der Kirche. In unseren Köpfen haben sich viele ungeprüfte Allgemeinplätze festgesetzt. In guter reformatorischer Tradition ermutigt uns die Fastenaktion, unumstößliche Gewissheiten anzuzweifeln und Bekanntes zu hinterfragen", sagt Landesbischöfin Ilse Junkermann. "Gewohnheiten unterbrechen - das kann unseren Blick klären und uns eine neue Perspektive auf manche Bedürfnisse geben."

Das Wittenberger Zentrum für evangelische Predigtkultur ruft Pfarrerinnen und Pfarrer dazu auf, während der Fastenzeit neu über die Inhalte ihrer Predigten nachzudenken. Anknüpfend an das Motto "Selber denken - sieben Wochen ohne falsche Gewissheiten" sollen außerhalb von biblischen Lesungen und liturgischen Texten in den Predigten keine "Großen Worte" mehr vorkommen, sagt Leiterin Kathrin Oxen. "Worte wie 'Barmherzigkeit', 'Erlösung' oder 'Rechtfertigung' sind oft nur Platzhalter, aus denen die Inhalte längst ausgewandert sind", so Oxen. "Predigerinnen und Prediger sollen die Begriffe umschreiben, um die Inhalte wieder verständlich zu machen."

In Mitteldeutschland gibt es regionale Fastengruppen. Beispielsweise finden Treffen in Creuzburg vom 5. März bis 16. April statt: An jedem Mittwochabend wird gemeinsam über das Jahresthema diskutiert. Den Abschluss bildet das gemeinsame Passahmal, bei dem traditionelle jüdische Speisen geteilt werden wie Lammfleisch, ungesäuertes Brot, Bitterkräuter und der Brei Charosset.

Sechs Wochen lang kommt auch eine Fastengruppe in Mupperg und Neuhaus/Schierschnitz (Landkreis Sonneberg) zusammen. Die Teilnehmer treffen sich donnerstags um 19.30 Uhr abwechselnd in den Pfarrhäusern. Sie erzählen sich gegenseitig ihre Erfolge und Misserfolge beim Fasten, außerdem sorgt Pastorin Christina Weigel für Denkanstöße. Die Gruppe wächst von Jahr zu Jahr, erzählt sie.

Im Evangelischen Augustinerkloster zu Erfurt wird während der Fastenzeit zu Abendmahlsgottesdiensten und Passionsandachten eingeladen. Außerdem finden unter dem Motto "Ökumenische Exerzitien im Alltag" Meditationsabende statt. Angeregt von Martin Luther soll das eigene Beten vertieft werden. Vom 14. bis 16. März werden Einkehrtage im Waidhaus zum Thema "Atem und Stille" angeboten.

Zu einem Konzert in der Fastenzeit unter dem Motto "Es geht um mehr" wird am 22. März in Eisenach eingeladen. Matthias Menzel, Kirchenmusiker und Autor des Buches "Erwachen im Burnout" singt Lieder über sein eigenes Burnout. "Ein sehr bemerkenswertes und ermutigendes Zeugnis. Seine Lieder machen Mut und schaffen Vertrauen", heißt es in der Ankündigung.

In Eisenach findet außerdem ein Suppensonntag mit Fastenessen statt: Am 23. März ist in der Annenkirche nach dem Gottesdienst ein "Mahlhalten" für einen guten Zweck geplant, angekündigt als "sichtbares Zeichen für die innere Umkehr des Menschen zu Gott und zu den Mitmenschen". Das Teilen steht dabei im Mittelpunkt. Der Erlös des Mittagessens auf Spendenbasis soll dem Rumänienprojekt der Diako Westthüringen zugute kommen.

In Magdala werden Fastenbegleitung und Fastengespräche angeboten, außerdem sind Aktionen in Seniorenkreisen und Kindergruppen geplant. So wollen die Senioren ein bewussteres Miteinander pflegen, sich Postkarten schreiben und gegenseitig besuchen. Die Kinder schließen Verträge, auf was sie verzichten, wie Süßigkeiten, Computer, Gameboy und, laut Pfarrer Martin Krautwurst für die älteren eine große Herausforderung, auf Facebook. Zu den wöchentlichen Treffen werden die Erfahrungen ausgewertet.

In der Kirchengemeinde Weimar ist ein Fastenkurs in der Woche vom 11. bis 16. März geplant. "Der Kurs bietet eine Möglichkeit, körperlich zu entschlacken und sich um seine Seele zu kümmern, sich zurückzunehmen im Alltagsgeschehen und sich mit Leib und Seele auf Gottes Wort zu konzentrieren", kündigt Pastorin Bettina Reinefeld-Wiegel an.

Vom 6. bis 13. April wird im Kloster Volkenroda zum Heilfasten nach Buchinger als ganzheitliches Angebot für Körper, Geist und Seele eingeladen. Individuelle Ernährungsberatung, körperliche Bewegung, geistige Anregung und geistliche Impulse sind Bestandteil des Tagesablaufs. Es bleibt Raum für persönliche Erfahrungen und den Austausch in der Gruppe. "Beim Fasten öffnet sich das menschliche Wesen neuen Impulsen und deckt unbeachtete Perspektiven auf. Wer fastet, lässt sich auf veränderte Sichtweisen ein und entdeckt neue Perspektiven", so die Ankündigung.