Kirchliche Hilfswerke beklagen Verfolgung von Menschenrechtlern

Wenn selbst das Recht zur Waffe wird

Festnahmen aus heiterem Himmel, Willkürjustiz und Brandanschläge aufs Büro: Wer die Politik der Regierung oder die Praktiken von Unternehmen kritisch beobachtet, riskiert in vielen Ländern sein Leben. Die Mächtigen schlagen mit vielen Mitteln zurück.

Früher wussten wir: Der Staat ist der Feind", sagt die Politologin Basilisa Dengen. Unter der Diktatur in Indonesien waren es Polizisten oder Soldaten, die Menschenrechtler und Umweltschützer folterten, verschleppten oder töteten. Die Täter trugen Uniform. Heute ist die Bedrohung diffuser. Wenn eine Kirche in Brand gesteckt oder eine Gemeinde der nicht anerkannten islamischen Ahmadiyya-Bewegung überfallen wird, bleiben die Drahtzieher im Dunkeln. "Wir wissen nicht, wer die Auftraggeber sind", sagt Dengen.

1998 stürzte Diktator Suharto. Indonesien, das Land mit der größten islamischen Bevölkerung hat gerade ein neues Parlament gewählt und wird heute für seine demokratischen Fortschritte gelobt. Doch der Schutz der Menschenrechte bleibt oft außen vor. "Die Lage ist nicht unbedingt gefährlicher geworden, aber sie ist unkalkulierbar geworden", resümiert Dengen, die Geschäftsführerin der Menschenrechtsorganisation "Watch Indonesia" mit Sitz in Berlin ist. Wer beauftragt Schlägerbanden, wenn Bürgerrechts- und Umweltschutzgruppen gegen die Vertreibung von Bauern protestieren?

In vielen Entwicklungsländern erleben die sogenannten Nichtregierungsorganisationen (NGOs), dass ihr Handlungsspielraum eingeschränkt wird. In Tansania und Kolumbien gibt es anonyme Todesdrohungen, in Sri Lanka Verhaftungen, in Äthiopien Knebelgesetze. Das wurde auf einer Konferenz der evangelischen Kirchen und Hilfswerke berichtet, die am Donnerstag und Freitag in der Evangelischen Akademie Arnoldshain im hessischen Schmitten/Taunus tagte.

"Die Formen der Repression sind vielfältig", sagte Jochen Motte, Abteilungsleiter bei der Vereinten Evangelischen Mission mit Sitz in Wuppertal. Selbst das Recht kann durch Machtwillkür zur Waffe werden gegen unbequeme Bürgerrechtler, Frauengruppen, Gewerkschaften oder Kirchenleute. Ihnen drohen Prozesse wegen Beleidigung des Präsidenten oder wegen Hochverrats, wenn sie es etwa wagen, den nationalen Entwicklungsplan zu kritisieren oder Spenden aus dem Ausland anzunehmen.

Gerald Staberock, Generalsekretär der Weltorganisation gegen Folter mit Sitz in Genf, weiß von knapp 20 Ländern mit repressiven Gesetzen gegen NGOs. Nach der Öffnung vieler Staaten für Bürger- und Basisbewegungen in den 90er Jahren setze nun eine Gegenbewegung ein. Wer etwas zu verlieren habe, mache Front gegen die Akteure des Wandels, etwa nach dem Umbruch in arabischen Ländern. "Es ist die Angst vieler Staaten, die sehen, dass die Menschenrechtsverteidiger und die Zivilgesellschaft eine starke Kraft sind", sagt Staberock.

Hilfswerke wie "Brot für die Welt" suchen in dieser Situation nach Strategien, um ihre Partnerorganisationen in Afrika, Asien, Lateinamerika und im Nahen Osten besser zu schützen: Da müssen bedrohte Aktivisten für einige Zeit aus der Schusslinie genommen und nach Deutschland geholt werden. Da gilt es, auf politischer Ebene Meinungs- und Betätigungsfreiheit einzufordern, wie in der UN-Erklärung zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern von 1998 festgeschrieben.

Norman Voß vom Westpapua-Netzwerk sieht auch die Bundesregierung in der Pflicht, die Menschenrechte stärker in der Außenpolitik zu verankern. Und er fordert einen Stopp sämtlicher Waffenlieferungen an Indonesien, solange in der Unruheregion Westpapua Menschenrechtler inhaftiert, gefoltert und ermordet werden.

11. April 2014