"Die Diakonie braucht die Kirche, und die Kirche braucht die Diakonie"

Präsident Stockmeier scheidet aus der Verbandsspitze aus

Berlin (epd). Am Mittwoch wird Diakoniepräsident Johannes Stockmeier (66) in Berlin in den Ruhestand verabschiedet. Er stand dreieinhalb Jahre an der Spitze des evangelischen Wohlfahrtsverbandes. In dieser Zeit wurde das Diakonische Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) mit dem Evangelischen Entwicklungsdienst zum Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung zusammengeführt. Im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) spricht Stockmeier über Lobbyarbeit in Zeiten der Großen Koalition, über die Veränderung des kirchlichen Arbeitsrechts und die Rolle der Diakonie für die evangelische Kirche.

epd: Herr Stockmeier, ein großes Thema Ihrer Amtszeit war das kirchliche Arbeitsrecht. Diakonie, EKD und Landeskirchen haben eine neue kirchengesetzliche Basis geschaffen - hält die?

Ich bin froh, dass wir in den zurückliegenden dreieinhalb Jahren das Thema Arbeitsrecht in der Kirche wirklich neu aufarbeiten konnten. Wir sind zu zwei Möglichkeiten gekommen, auf deren Basis wir die Zukunft gestalten können: einerseits über den Dritten Weg, andererseits über Tarifverträge, die den besonderen kirchlichen Erfordernissen entsprechen.

epd: Werden die Kirchen nach den Jahren des Arbeitsrechts-Streits nun wieder mehr mit den Gewerkschaften gemeinsam unternehmen können?

Die Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften war nie unterbrochen. Es gab eine besondere Zuspitzung des Verhältnisses in Bezug auf eine Gewerkschaft - das war ver.di. Es sollte über diese Kontroverse nicht außer Acht gelassen werden, dass die Gespräche mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund und anderen Einzelgewerkschaften nicht gestört waren.

epd: Aber ver.di ist gerade die Einzelgewerkschaft, die für Kirche und Diakonie zuständig ist.

Wir hoffen, dass jetzt auch ver.di entdeckt, dass wir auf sozialpolitische Herausforderungen gemeinsam zugehen können. Auch wenn es an der einen oder anderen Stelle Interessengegensätze gibt, muss uns das nicht daran hindern, sozialpolitische Gemeinsamkeiten zu suchen.

epd: EKD und Deutsche Bischofskonferenz haben Ende Februar ihre Sozialinitiative vorgestellt - das Echo in der Öffentlichkeit war verhalten im Vergleich zum gemeinsamen Sozialwort von 1997.

Das Sozialwort war seinerzeit ein ganz starker Impuls - es war etwas ganz Neues, dass sich die beiden großen christlichen Kirchen in diesem Land auf eine Verbindlichkeit von Aussagen verständigt hatten, die dann eine große Wirkung entfaltet haben. Das neue Wort knüpft daran an, es darf aber nicht überfordert werden.

epd: Trügt der Eindruck, dass sich derzeit der Papst klarer zu Fragen der sozialen Gerechtigkeit äußert als die beiden großen Kirchen in Deutschland?

Die mediale Aufnahme von Einzelaussagen des Papstes hat eine andere Wirkung als die Aussagen, die aus den Mühen der politischen Auseinandersetzung in einem Sozialstaat an die Öffentlichkeit kommen. Beides muss sich aber nicht widersprechen. Es schadet nichts, wenn die Impulse aus dem Vatikan unser Gespräch befruchten.

epd: Wie haben Sie als Lobbyist den Politikbetrieb erlebt?

Das alles ist ein Bohren ganz dicker Bretter, und es ist nicht einfach, mit seiner Vorstellung gleich durchzukommen. Wichtig ist es, wenn unsere Argumentationen verstanden werden. Aber ich möchte Respekt zollen: Ich habe viele Abgeordnete und Mitarbeiter in den Ministerien und Fraktionen kennengelernt, die sehr, sehr gut wissen, worum es geht. Sie sind bereit, Vorschläge zu hören - auch wenn der Interessenausgleich dann schwierig wird.

epd: Ist das unter der Großen Koalition einfacher als in Zeiten der schwarz-gelben Regierung?

Um dies zu beurteilen, ist es zu früh. Es gibt Themen, in denen es einfacher geworden ist -  etwa im Migrationsbereich. Im Hinblick auf die Sozialpolitik werden wir beim Leistungsgesetz für Menschen mit Behinderungen sehen, wie sich das entwickelt.

epd: Als Sie ihr Amt antraten, trafen Sie das Diakonische Werk in einer schwierigen finanziellen Situation an. Ist das Werk saniert?

Noch nicht ganz. Aber die Weichen sind gestellt, und wir sind in der Konsolidierung weit vorangekommen. 80 Prozent der Einsparungen, die wir uns vorgenommen haben, sind erzielt worden. Da haben viele sehr vieles geleistet. Ich kann besten Gewissens die Aufgabe an meinen Nachfolger weiter geben. Der Verband kann nach vorne schauen.

epd: Die Diakonie hat nach der jüngsten Mitgliedschaftsstudie der EKD eine Zustimmung weit über die Kirchenmitglieder hinaus. Kann die Diakonie für die evangelische Kirche eine Brücke schlagen zu wenig Verbundenen und Konfessionslosen?

Entscheidend für die künftige Mitgliederstruktur der Kirche wird ihre Erkennbarkeit über die Diakonie sein. Die Diakonie braucht die Kirche, und die Kirche braucht die Diakonie. Für die Kirchenfernen spielt es eine große Rolle, dass es die Diakonie-Katastrophenhilfe gibt genauso wie Kindertagesstätten oder diakonische Altenhilfeeinrichtungen, in der Verwandte gepflegt werden.

www.diakonie.de

14. Mai 2014