Respekt für Nikolaus Schneider in Sterbehilfe-Debatte

Gesundheitsminister Gröhe will Verbot organisierter Suizid-Beihilfe

Berlin (epd). Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, erfährt Respekt für seine Haltung in der Sterbehilfe-Debatte. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) äußerte "großen Respekt" für Schneiders Ankündigung, seine krebskranke Frau gegen seine eigene theologische Überzeugung in die Schweiz zu begleiten, sollte sie Sterbehilfe in Anspruch nehmen wollen. Auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sprach dem Ehepaar Schneider seine Hochachtung aus.

Gröhe, der zugleich seine Forderung nach einem Verbot jeder Form der organisierten Beihilfe zum Suizid bekräftigte, sagte dem Berliner "Tagesspiegel am Sonntag", er "großen Respekt davor, wenn Nikolaus Schneider sagt, dass für ihn die Liebe zu seiner Frau im Konfliktfall über den eigenen ethischen Überzeugungen stehen würde". Auf die Frage, wie er selbst sich entscheiden würde, wenn seine Frau ihn um einen solchen Gefallen bitten würde, sagte der Minister: "So eine Entscheidung kann man nicht auf Vorrat treffen."

Gröhe bezeichnete es als bedenklich, "wenn organisierte Hilfe zur Selbsttötung als Alternative zu einer medizinischen Behandlung beworben wird". Er maße sich zwar kein Urteil über Menschen an, die in schwerster Not eine solche Entscheidung träfen. "Wir sollten uns aber auch hüten, Selbsttötung zu einem Akt wahrer Freiheit zu verklären", mahnte der Gesundheitsminister. Notwendig sei vor allem mehr schmerzlindernde Palliativmedizin.

Bundesfinanzminister Schäuble sagte der Zeitung "Bild am Sonntag", er sei tief bewegt darüber, was Nikolaus Schneider und seine Frau gesagt hätten. "Egal, welche Meinung man zu Sterbehilfe hat, ich habe höchsten Respekt vor der Haltung des Ehepaares Schneider. Es geht um Barmherzigkeit. Ich wünsche beiden viel Kraft."

Der CDU-Politiker Bosbach schrieb in einem Gastbeitrag für das Nachrichtenmagazin "Focus", der EKD-Ratsvorsitzende Schneider stehe zwar mit seiner Position im "Widerspruch zur Haltung seiner Kirche", das sei allerdings kein Grund zur Kritik: "Im Leben eines jeden Menschen gibt es Fragen von wahrhaft existenzieller Bedeutung, die jede(r) Betroffene nur für sich selber - nach bestem Wissen und Gewissen - beantworten kann."

Zugleich rügte Bosbach, dass Schneider von Anhängern kommerzialisierter Sterbehilfe "nun zum Kronzeugen ihres Engagements" gemacht werde. Schneider begründe seine Zusage an die Ehefrau ausschließlich mit der Liebe zu ihr. Es sei "ein großer Unterschied, ob jemand aus Mitgefühl und lebenslanger Verbundenheit mit einem Schwerstkranken dessen letzten Wunsch erfüllt, oder ob man aus dem Wunsch vieler Menschen, aus Angst vor unerträglichen Schmerzen oder langem Siechtum ein Geschäftsmodell macht", unterstrich der Christdemokrat.

Die Münchner Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler warnte unterdessen davor, das Lebensrecht von alten und kranken Menschen infrage zu stellen. "Wir dürfen nicht zusehen, wie sich Sterbegesellschaften etablieren, die Menschen vom Diesseits ins Jenseits verhelfen", sagte die Theologin am Sonntag in einem Gottesdienst. Die Gesellschaft müsse jedoch denen beistehen, die "sich ängstigen vor Schmerzen und vor Einsamkeit".

Schneider (66) will wegen der Erkrankung seiner Frau Anne (65) im November von seinem Amt an der EKD-Spitze zurücktreten. In Interviews mit dem Nachrichtenmagazin "stern" und der Wochenzeitung "Die Zeit" hatte der Theologe bekundet, seine Frau bei der Sterbehilfe zu unterstützen, wenn sie das "Geschenk des Lebens an Gott zurückgeben" wolle. Dies sei zwar völlig gegen sein ethisch-theologisches Verständnis, "aber am Ende würde ich sie wohl gegen meine Überzeugung aus Liebe begleiten", sagte der Ratsvorsitzende.

28. Juli 2104