Diakonie wertet Hartz-IV-Urteil als klaren Auftrag an die Politik

Frankfurt (epd). Caritas und Diakonie erwarten nach der jüngsten Hartz-IV-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes Verbesserungen für die Leistungsempfänger. Die Entscheidung der Karlsruher Richter enthalte "bahnbrechende Neuerungen", sagte der Caritas-Sozialexperte Thomas Becker am Mittwoch dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Der Staat muss nun mehr Geld in die Hand nehmen, um das menschenwürdige Existenzminimum zu sichern."

Maria Loheide, Vorstand Sozialpolitik der Diakonie, erklärte, das Urteil sei ein klarer Auftrag an die Politik, ein menschenwürdiges Existenzminimum sicherzustellen. "Die Regelsätze hinken schon lange der Preisentwicklung hinterher", monierte Loheide: "Es darf keine weiteren Abstriche am sozialen und kulturellen Existenzminimum geben."

Das Bundesverfassungsgericht hatte in einem am Dienstag veröffentlichten Beschluss die Hartz-IV-Regelsätze für "noch" verfassungsgemäß erklärt (AZ: 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12 und 1 BvR 1691/13). In Einzelpunkten hatten die Karlsruher Richter von der Politik aber Nachbesserungen gefordert.

"Nach dem Urteil ist der Hartz-IV-Regelsatz auf Kante genäht", sagte Becker. Da die Ausgaben für die Lebenshaltung im Hartz-IV-Regelsatz sehr knapp bemessen seien, könnten Hartz-IV-Bezieher plötzlich anfallende Kosten wie drastische Preissteigerungen wichtiger Ausgabeposten nicht mehr schultern. "Dies ist beispielsweise bei den drastischen Strompreiserhöhungen der letzten Jahre der Fall gewesen", sagte Becker.

Nach der Karlsruher Entscheidung könnten Hilfebedürftige nun verlangen, dass die Hartz-IV-Leistung jedes Jahr entsprechend der Strompreiserhöhungen angepasst wird. Bislang wurden Arbeitslose damit vertröstet, dass eine Anpassung alle fünf Jahre möglich sei.

Der Richterspruch sieht nach der Auffassung des Sozialexperten der Caritas weitere Verbesserungen für Hartz-IV-Bezieher vor: Da für langlebige Güter wie Waschmaschine oder Kühlschrank im Regelsatz nur ein geringer Euro-Betrag vorgesehen sei, könnten Langzeitarbeitslose nun einen Zuschuss hierfür einfordern. "Lehnen die Jobcenter diesen ab, müssen die Sozialgerichte diesen Anspruch 'verfassungsgemäß' auslegen", betonte Becker.

Gleiches gelte für Sehhilfen. Bislang gab es einen Zuschuss nur bei einer Sehkraft von 30 Prozent. "Auch hier sieht das Bundesverfassungsgericht eine Unterdeckung, so dass ein Zuschuss zu zahlen ist", sagte der Sozialexperte dem epd.

Mehr Geld werde es auch für Mobilitätskosten geben. Der Gesetzgeber müsse hier klären, ob Hartz-IV-Bezieher Busse und Bahnen frei nutzen dürfen oder ob der Ausgabenanteil für den öffentlichen Personennahverkehr im Hartz-IV-Regelsatz aufgestockt wird.

Das Bundesverfassungsgericht habe das Thema Hartz IV erneut auf die Agenda gesetzt. "Die Politik muss jetzt handeln und die Karlsruher Vorgaben schnellstmöglich umsetzen", forderte Becker.

Die Diakonie kritisierte, dass einmalige Bedarfe wie für eine Waschmaschine, ein Kinderfahrrad oder Mietkautionen nicht finanziert würden, sondern die Jobcenter lediglich Kredite gewährten. Zudem würden durch starre Sanktions- und Sonderregelungen insbesondere Menschen unter 25 Jahren aus dem Leistungsbezug verdrängt. "Menschen am Rande des Existenzminimums geraten über Kredite für nötige Anschaffungen oder wenn ihnen Leistungen komplett gestrichen werden in existentielle Not", sagte Loheide: "Die Politik ist in der Verantwortung und darf nicht tatenlos zusehen."

11. September 2014