"Mut zum Risiko und zum Irrtum"

Ehemaliger hannoverscher Kirchenamtspräsident Eckhart von Vietinghoff wird 70 Jahre alt

Hannover (epd). Bis heute gilt der langjährige Kirchenamtspräsident der hannoverschen Landeskirche, Eckhart von Vietinghoff, als Vermittler und Vordenker in der evangelischen Kirche. Am 7. Oktober feiert der promovierte Jurist seinen 70. Geburtstag. Fast ein Vierteljahrhundert leitete er von 1984 bis zu seinem Ruhestand 2008 die Verwaltung der mit knapp 2,8 Millionen Mitgliedern größten Landeskirche in Deutschland. Außerdem gehörte er zwölf Jahre lang dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) an.

Von Vietinghoff wurde 1944 in Göttingen geboren und studierte Rechtswissenschaft in Freiburg, Hamburg und Göttingen. Von 1974 an war er im höheren Verwaltungsdienst des Landes Niedersachsen tätig, unter anderem im Wissenschaftsministerium und in der Staatskanzlei. 1980 wurde er Oberstadtdirektor in Hildesheim. 1984 wechselte er zur Landeskirche. Er ist mit einer Richterin verheiratet, hat zwei erwachsene Töchter - und eine siebenjährige Dackeldame namens Hermine.

Der überzeugte Protestant engagierte sich auf allen kirchlichen Ebenen. In einem Interview brachte er es auf die Formel: "Rausgehen, sich dem Wind stellen, Neues versuchen, Mut zum Risiko und zum Irrtum." So führte er nach der deutschen Einheit die ost- und westdeutschen Kirchen in ihrem erbitterten Streit um die Militärseelsorge zu einem Konsens. Unter seinem Vorsitz wurde das kirchliche Medien-Engagement im Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik in Frankfurt am Main reformiert.

Die komplexen Strukturen des Protestantismus waren für ihn kein Tabu. Vor zwölf Jahren schlug er vor, die konfessionellen Verbände unter dem Dach der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zu vereinen. Mit seinen "Unfrisierten Gedanken", wie er seine Schrift für mehr Profil der Kirche und eine stärkere EKD nannte, brachte er zunächst weite Teile des eigenen lutherischen Lagers gegen sich auf. Letztlich stieß er aber auf große Zustimmung in den Landeskirchen.

Zu seinen Schwerpunktthemen in Hannover gehörte auch die Diakonie. Von 2006 bis zum vergangenen Februar war er Aufsichtsratsvorsitzender der Diakonische Dienste Hannover gGmbH. Sie zählt zu den größten diakonischen Einrichtungen in Deutschland mit 4.500 Mitarbeitern in drei Krankenhäusern sowie Behinderten-, Alten- und Reha-Zentren.

2008 verlieh ihm die Theologische Fakultät der Universität Göttingen den Ehrendoktortitel. Von Vietinghoff ist Rechtsritter des Johanniterordens, Mitglied der Wissenschaftlichen Kommission der Deutschen Stiftung Denkmalschutz und seit 2010 Vorsitzender der Stiftung zur Bewahrung kirchlicher Baudenkmäler in Deutschland (Stiftung KiBa). 2014 wurde er außerdem mit dem Kronenkreuz in Gold des Diakonischen Werkes der EKD ausgezeichnet.

Von Vietinghoff ging es stets darum, rechtzeitig aktiv zu werden: "Wir müssen weg von der Orientierung auf die Tagesprobleme. Schließlich sind wir keine Karnickel, die auf die Schlange gucken und warten, wann sie nun verschlungen werden." Er setzte sich für eine selbstbewusste, in der Gesellschaft wirkende Kirche ein und wetterte auch gern mal gegen protestantische Selbstbezogenheit. An seine Kirche appellierte er zum Ende seiner Dienstzeit, sich auf die Themen von heute einzustellen: "Die Bedingungen der letzten 50 Jahre sind vergangene Welten."

06. Oktober 2014