Evangelische Kirche kritisiert "Abwehr und Gewalt gegen Flüchtlinge"

Dresden (epd). Mit scharfer Kritik an der Flüchtlingspolitik hat die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) am Sonntag in Dresden ihre Synodentagung eröffnet. Der EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider sagte, die Zustände in vielen Aufnahmeeinrichtungen seien Anlass zur Scham. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) verteidigte in einem Grußwort die europäische und deutsche Asylpolitik. Im Mittelpunkt des Eröffnungsgottesdienstes stand die Erinnerung an den Mauerfall vor 25 Jahren.

Ratschef Schneider sagte in seinem letzten Bericht vor dem Kirchenparlament: "Die Angst, dass ein ungebremster Zuzug von Flüchtlingen den eigenen Wohlstand gefährdet, bricht sich in Ablehnung, Abwehr und Gewalt gegen Flüchtlinge und Migranten Bahn." Schneider legt nach vier Jahren an der Spitze der EKD am Montag sein Amt aus persönlichen Gründen vorzeitig nieder. Innenminister de Maizière warnte davor, die Bereitschaft der Deutschen zur Aufnahme von Flüchtlingen überzustrapazieren. Einen Grundkonsens über das Asylrecht zu bewahren, sei "ein hoher Wert an sich in unserer Gesellschaft".

Der sächsische Bischof Jochen Bohl rief im Eröffnungsgottesdienst in der Dresdner Kreuzkirche dazu auf, dass Deutschland angesichts der Konflikte in der Welt Verantwortung übernimmt. Es sei "nicht länger möglich, sich zurückzulehnen und distanziert zuzuschauen, was anderswo geschieht". Als Beispiele nannte Bohl unter anderem den Terror des "Islamischen Staates" (IS) in Syrien und dem Irak, den Ukraine-Konflikt und den Umgang mit Flüchtlingen. "Es gibt keine Nische, in die unser Land sich zurückziehen könnte, auf dessen Möglichkeiten so viele erwartungsvoll sehen", sagte Bohl, der auch stellvertretender EKD-Ratsvorsitzender ist.

Im Mittelpunkt des Gottesdienstes stand die Erinnerung an die friedliche Revolution in der DDR und den Mauerfall. "Es war eine friedliche, und es war auch eine protestantische Revolution, denn zu einem guten Teil wurde sie von evangelischen Christinnen und Christen gemacht", sagte Bohl.

Kurz vor der Bundestagsdebatte über Sterbehilfe bekräftigte Ratsvorsitzender Schneider die ablehnende Haltung der evangelischen Kirche zu einem Recht auf ärztlich assistierten Suizid. "In Respekt und Demut vor der Lebensmacht Gottes lehnen wir als Kirche Selbsttötung und Beihilfe zur Selbsttötung grundsätzlich ab", sagte er. Zugleich schlug er vor, einen Rechtsanspruch auf Sterbebegleitung durch Palliativmedizin und Hospizarbeit in Betracht zu ziehen.

Der Spitzenrepräsentant der deutschen Protestanten hatte im Sommer seinen Rückzug von der EKD-Spitze angekündigt, um seiner an Krebs erkrankten Frau Anne beizustehen. Anne und Nikolaus Schneider hatten danach in Interviews ihre unterschiedlichen Ansichten dazu deutlich gemacht, ob man sein Leben bei einem ausweglos erscheinenden Leiden selbst beenden darf. Dabei hatte Nikolaus Schneider gesagt, er würde gegen seine theologische Überzeugung seiner Ehefrau beistehen, sollte sie sich entscheiden, Sterbehilfe in Anspruch zu nehmen.

Das Kirchenparlament berät bis Mittwoch in Dresden. Schwerpunktthema der Jahrestagung ist die "Kommunikation des Evangeliums in der digitalen Gesellschaft". Die Wahl eines neuen Ratsvorsitzenden ist für Dienstag geplant.

Bereits seit Donnerstag tagten die Generalsynode der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) und die Vollversammlung der Union Evangelischer Kirchen (UEK). Die gliedkirchlichen Vereinigungen stimmten einer Fortführung des sogenannten Verbindungsmodells mit der EKD zu. Bei dem aktuellen Beschluss geht es hauptsächlich um die Frage, ob die EKD selbst als Kirche zu betrachten ist. Ziel ist eine stärkere evangelische Profilierung, ohne die Bekenntnisunterschiede zwischen lutherischen, reformierten und unierten Christen zu verwischen. Der Bischof von Kurhessen-Waldeck, Martin Hein, sagte hingegen bei der UEK-Vollkonferenz, die EKD zur Kirche erklären, könne nur ein "erster Schritt" und ein "Interim" sein: "Wir wollen mehr EKD, unter Wahrung der Besonderheiten der Gliedkirchen."

Informationen zur EKD-Synode
www.ekd.de/synode2014

09: November 2014