Kirchen rufen zum Jahreswechsel zu mehr Solidarität auf

Hannover/Köln (epd). Die Kirchen in Deutschland haben zum Jahreswechsel einen besseren gesellschaftlichen Zusammenhalt angemahnt. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, sagte am Mittwoch, soziales Engagement und aktive Teilhabe an den ethischen Debatten unserer Zeit seien "keine evangelische Kür, sondern Zeugnis christlichen Glaubens". Etwa in der Flüchtlingsarbeit sei Deutschland mehr denn je auf ehrenamtliches Engagement angewiesen. Sachsens Landesbischof Jochen Bohl rief die Menschen dazu auf, einander anzunehmen. Wenn die Menschen weniger auf Abgrenzung bedacht wären, wäre die Welt sicherlich friedlicher, sagte der evangelische Theologe am Donnerstag beim Neujahrsgottesdienst in der Dresdner Frauenkirche, der im ZDF übertragen wurde.

Flüchtlinge kämen aus den Krisengebieten der Welt nach Deutschland in der Hoffnung auf Zuflucht und ein besseres Leben, sagte Bohl. Dabei erscheine dies manchen als Bedrohung. Über die konkrete Einwanderungs- und Asylpolitik könne und müsse gestritten werden, nicht aber über die Aufnahme selbst, "dazu ist der Staat verpflichtet", sagte der Bischof.

Auch der katholische Bischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Gebhard Fürst, rief zu Hilfsbereitschaft gegenüber Flüchtlingen auf. Der Frieden in der Welt sei so fragil wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Millionen Menschen flüchteten vor Hunger und Todesgefahr. Auf ihrer Flucht über das Mittelmeer seien im Jahr 2014 etwa 3.400 Menschen gestorben. Die in Deutschland angekommenen Flüchtlinge hätten Schlimmstes erlebt und bräuchten Hilfe, sagte der Bischof laut einer Mitteilung am Silvesterabend im oberschwäbischen Hohentengen.

Der Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki forderte mehr Sachlichkeit in der Debatte um steigende Flüchtlingszahlen in Deutschland. "Nicht wir im reichen Europa haben ein Flüchtlingsproblem, sondern die armen Nachbarländer der Krisenregionen", sagte Woelki am Mittwochabend in seiner Silvesterpredigt im Kölner Dom. Von den weltweit nach UN-Angaben 45 Millionen Flüchtlingen blieben 80 Prozent in ihren Heimatländern oder den Nachbarländern. "Diese Wahrheit verkünden wir zu wenig, zu zaghaft und zu leise", sagte der Kardinal laut Redetext.

Das gelte gerade, wenn Organisationen meinten, "sie müssten das Abendland gegen Menschen verteidigen, die buchstäblich oft nur ihr nacktes Leben nach Deutschland retten konnten", sagte der Erzbischof mit Blick auf die "Pegida"-Bewegung (Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes). Das Abendland werde nicht verteidigt, "wenn wir die Schotten dichtmachen".

Der Aachener Bischof Heinrich Mussinghoff forderte eine Willkommenskultur für Einwanderer aus Südosteuropa. Wenn Migranten aus Bulgarien und Rumänien öffentlich vorgeworfen werde, nur von staatlichem Geld leben zu wollen, sei das fürchterlich, sagte der katholische Theologe am Mittwoch in der Jahresschlussandacht im Aachener Dom. "Nein, wir haben sie nötig und wir tun uns etwas Gutes, wenn wir sie integrieren, als Facharbeiter ausbilden und sie uns zu Freunden machen."

2. Januar 2015