Kirchen verteidigen das Kirchenasyl und wehren sich gegen den Vorwurf des Rechtsbruchs

Frankfurt a.M. Die Kritik von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) am Kirchenasyl stößt auf deutlichen Widerstand bei den beiden großen Kirchen. Der Sinn dieses Mittels sei nicht, "das Recht auszuhebeln", erklärte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm. Es gehe um "einzelne sorgfältig ausgewählte Härtefälle". Ähnlich äußerte sich ein Sprecher der katholischen Deutschen Bischofskonferenz. De Maizière hatte sich zuvor scharf gegen das Kirchenasyl gewandt und die Rechtmäßigkeit des kirchlichen Vorgehens angezweifelt.

Bedford-Strohm sagte, die Härtefälle sollten am Ende "in rechtliche Lösungen münden". In 95 Prozent von ihnen gelinge das auch. Er habe "Hochachtung vor den Menschen in unseren Gemeinden, die sich mit so großer Leidenschaft für Flüchtlinge engagieren", ergänzte der bayerische Landesbischof, der am Montagabend mit dem Innenminister über das Thema sprach. Er halte nichts von einer Grundsatzdiskussion über diese Frage. "Es müssen weiterhin vor Ort gute Lösungen gefunden werden."

De Maizière hatte erklärt, als Verfassungsminister lehne er das Kirchenasyl "prinzipiell und fundamental" ab. Als Christ habe er zwar Verständnis, dass die Kirchen in Einzelfällen unter dem Gesichtspunkt des Erbarmens Flüchtlinge aufnähmen. Doch es gehe nicht, dass sie sich eigenmächtig über Gesetze hinwegsetzten. Unterstützung erhielt er vom kirchenpolitischen Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Franz Josef Jung (CDU). Es könne über den Rechtsstaat hinaus kein "gesondertes Kirchenrecht" geben, sagte Jung der "Welt" (Online-Ausgabe). Für die Fälle von Kirchenasyl gebe es Härtefallregeln und -kommissionen. Zuvor hatte sich die kirchenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Kerstin Griese, hinter die Position der Kirchen gestellt.

Der Sprecher der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Matthias Kopp, sagte der "Welt", trotz eines gut funktionierenden Asylsystems komme es immer wieder vor, dass die besonderen Umstände von Einzelfällen nicht ausreichend gewürdigt würden. Dies könne für die Betroffenen dramatische Folgen haben, unterstrich der Sprecher. "In den meisten Fällen von Kirchenasyl gelingt es, gemeinsam mit den Behörden andere Lösungen als eine Abschiebung zu finden - und zwar nach Recht und Gesetz." Gemeinden, die Kirchenasyl gewährten, stellten sich also nicht über das Gesetz, sondern trügen dazu bei, den Menschenrechten zu ihrer Geltung zu verhelfen.

Der badische evangelische Landesbischof Jochen Cornelius-Bundschuh widersprach de Maizière ebenfalls. Die Kirchen setzten sich nicht über Gesetze hinweg, sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Karlsruhe. Das Kirchenasyl sei eine Form des gewaltfreien Eintretens für Menschen in einer besonderen Notlage. Die Gemeinden wollten verhindern, dass Flüchtlinge in eine menschenunwürdige Situation kommen. "Sie wollen Unrecht verhindern und einen begrenzten Zeitraum schaffen, in dem noch einmal nachgedacht und verhandelt werden kann", betonte der Bischof. Es gehe darum, in seltenen und zeitlich befristeten Fällen den Rechtsfrieden zu erhalten.

Die Zahl der Kirchenasyle in Deutschland war jüngst deutlich gestiegen. Hintergrund sind die weltweiten Kriegen und Krisen sowie das EU-Asylrecht. Nach Angaben der Ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche gibt es gegenwärtig 200 Fälle mit mindestens 359 Personen, darunter 109 Kinder. Beim Kirchenasyl handelt es sich um eine zeitlich befristete Aufnahme von Flüchtlingen ohne legalen Aufenthaltsstatus. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge will die Bedingungen für die Betroffenen verschärfen. Sie sollen für "flüchtig" erklärt werden, obwohl ihr Aufenthalt bekannt ist. Die Kirchen lehnen die geplanten Neuregelungen ab.

Mit Material von epd

03. Februar 2015