Nicht nur Privatsache - Altbischof Kähler und Ministerpräsident Ramelow diskutieren über Religion

Eisenach (epd). Thüringens Landtagspräsident Christian Carius (CDU) schien sichtlich irritiert. "Er dachte, ich habe etwas vergessen", erinnert sich der Ministerpräsident des Freistaats Thüringen Bodo Ramelow (Die Linke) an den Moment seiner Vereidigung. Am 5. Dezember 2014 hatte er beim Nachsprechen der Eidesformel auf die Thüringer Landesverfassung auf die Bekräftigung "So wahr mir Gott helfe" verzichtet. Damit habe er jedoch keineswegs seinen Glauben verleugnen oder Distanz zum Ausdruck bringen wollen, sagte Ramelow in Eisenach.

Vielmehr sei ihm der Respekt vor dem weltlichen Amt und der Verantwortung für alle Thüringer wichtig gewesen, erklärte der Regierungschef. Dazu gehöre nicht zuletzt "ein universeller Glaubensanspruch, den das Grundgesetz garantiert". Seine muslimischen und jüdischen Freunde hätten sich von der vorgegebenen Formulierung des Gottesbezuges ausgegrenzt fühlen können. Ramelow ist evangelischer Christ. Der Rückblick auf seine Vereidigung als Ministerpräsident war der Einstieg zum zweiten Eisenacher Luthergespräch in der Georgenkirche zur Frage nach Religion als Privatsache. Die die Stiftung Lutherhaus Eisenach und die Theologische Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena hatten gemeinsam dazu eingeladen.

"Die Auffassung von einer Privatangelegenheit, die aus der Öffentlichkeit verdrängt werden soll, teile ich ausdrücklich nicht", betonte Ramelow. Zugleich bekannte er sich zur Verantwortung der Linkspartei gegenüber der antikirchlichen Politik in der DDR. Damit habe die Vorgängerpartei der Linken "schwere Schuld auf sich geladen".

Der Thüringer evangelische Altbischof Christoph Kähler betonte, beim Thema Religion müsse immer auch über Weltanschauungen und deren Missbrauch geredet werden: "Dadurch wurden Millionen von Menschen geopfert." Religion sei in der Gesellschaft einer der verschiedenen "Wertegründe", auf deren Basis gemeinsame Entscheidungen für ein menschliches Zusammenleben möglich seien. "Wenn eine Gesellschaft für Religion keinen Raum gibt, wird sie nicht gelingen", fügte Kähler hinzu.

Der Jenaer Kirchengeschichtler Christopher Spehr betonte, Religion habe immer einen öffentlichen Bezug. Das gelte für alle Staatsformen und bis in die Gegenwart. Nicht zuletzt die Reformation habe eine ganze Menge von gesellschaftlichen Impulsen ausgelöst, die bis heute lebendig seien. Dem heutigen kirchlichen Leben fehle es jedoch oft an Attraktivität, die der Kirche und ihren Gemeinden zu größerer Ausstrahlung in das gesellschaftliche Umfeld verhelfen könnte. 

Ramelow nutzte das Podium, um einmal mehr auf rege Kontakte zu den Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften hinzuweisen, die auch Kontroverses nicht ausklammern. Er nannte das kirchliche Arbeitsrecht und verwies auf Probleme bei der Übernahme von Sozialeinrichtungen in die Trägerschaft der Diakonie. Altbischof Kähler wiederum sprach von einem dringenden Bedarf, den Religionsunterricht in berufsbildenden Schulen zu verbessern.

11. Mail 2015