Käßmanns Rat an die Politik: "Mehr auf die Zivilgesellschaft hören"

Berlin (epd). Die Theologin Margot Käßmann hat an die Politik appelliert, die Zivilgesellschaft stärker einzubeziehen. Die Zivilgesellschaft bewege viel, beispielsweise die Hospizbewegung, sagte die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in der ARD-Sendung "Günther Jauch". Politiker sollten deshalb den Engagierten zuhören.

Sie habe bei vielen Menschen die Sehnsucht wahrgenommen, dass sich etwas verändere, berichtete Käßmann mit Blick auf den Evangelischen Kirchentag in Stuttgart, der am Sonntag endete. Sie sehe aber nicht, dass es noch Visionen in der Politik gebe. Es gebe keine Durchbrüche mehr in der Politik, "vielleicht auch, weil Konflikte zu wenig ausgetragen werden." Die Botschafterin des Rates der EKD für das Reformationsjubiläum 2017 plädierte für mehr Kontroversen: "Mut zum Streit hilft auch, dass es weitergeht."

In der Politik würden Themen debattiert, widersprach Peter Altmaier (CDU), Chef des Bundeskanzleramts. "Wir haben 30 Jahre über Alternativen zur Kernenergie diskutiert." Jeder Politiker habe die Chance, Dinge zu gestalten. "Es ist das gute Recht des Bürgers, dass er von uns Lösungen erwartet. Politik muss aber wissen: Sie wird niemals alle Probleme dieser Welt lösen können."

"Die Demokratie ist vitaler, als wir oft denken", sagte Gabor Steingart, Herausgeber des "Handelsblatts", mit Blick auf Nichtregierungsorganisationen. Er beklagte eine "Überinszenierung" von Politik, die viele Menschen abstoße.

"Die Verwaltung steht eindeutig im Mittelpunkt", beschrieb der Politikwissenschaftler Dietmar Herz seine Erfahrungen in der Politik. Der SPD-Politiker war eine Legislaturperiode Justizstaatssekretär in Thüringen. Die Politik enge sich selbst ein, indem sie sich an tagesaktuellen Ereignissen orientiere. Dabei sei Zeit vorhanden, sich zurückzunehmen und über Themen nachzudenken.

8. Juni 2015