Diakonie-Präsident Lilie für ein Verbot der organisierten Sterbehilfe

Berlin (epd). Zwei Tage vor der ersten Beratung der Gesetzentwürfe zur Sterbehilfe im Bundestag mischt sich die Diakonie wieder in die Debatte ein – diesmal mit einem Buch. Es wurde in Berlin vorgestellt und an alle Bundestagsabgeordneten verschickt. Diakonie-Präsident Ulrich Lilie sprach sich für ein Verbot der Sterbehilfevereine aus. Weitere Verbote solle es aber nicht geben.

Es müsse Freiraum bleiben, damit Patienten, Ärzte und Angehörige am Ende des Lebens eigene Entscheidungen treffen und verantworten können, sagte er bei der Vorstellung des Buches, das zugleich ein politisches Statement von Gegnern der organisierten Sterbehilfe ist.

Unter den Autoren des Buches sind der frühere SPD-Vorsitzende Franz Müntefering, der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, der inzwischen 81-jährige Psychiatriereformer Klaus Dörner und die frühere SPD-Bundesjustizministerin und Schirmherrin der Hospizbewegung, Herta Däubler-Gmelin. Unter dem Titel "Würde, Selbstbestimmung, Sorgekultur. Blinde Flecken in der Sterbehilfedebatte" schreiben zudem Praktiker wie der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin, Lukas Radbruch, über ihre Arbeit in Kinder- und Erwachsenenhospizen, in Krankenhäusern und Altenheimen.

Pflegekräfte, die sich trotz Effizienzdruck wirklich kümmern

Sie lenken den Blick auf die "blinden Flecken" der gegenwärtigen Debatte, den Alltag des Sterbens in Deutschland. Vieles, da sind sich die Autoren einig, sei schon besser als noch vor 30 Jahren, dank der Hospizbewegung, dank der Patientenverfügung, dank verbesserter Schmerzmittel und dank derjenigen Ärzte, Pflegekräfte, die sich trotz Effizienzdruck in Kliniken und Heimen um ihre Patienten wirklich kümmern.

Doch weiterhin "ignorieren wie den letzten Wunsch fast aller Menschen, in den eigenen vier Wänden zu sterben", kritisierte Klaus Dörner, der sich Zeit seines Lebens für die Selbstbestimmung etwa auch behinderter und demenzkranker Menschen eingesetzt hat. Die Hospizbewegung, eine Bürgerbewegung, habe für die Selbstbestimmung schwer kranker und sterbender Menschen mehr getan, als Gesetze es tun könnten, sagte er.

Auch Franz Müntefering schreibt: "Wichtiger als die Erwartung an den Bundestag, per Gesetz zu definieren, unter welchen Bedingungen Beihilfe zum Suizid erlaubt wäre, ist die Frage der Gesellschaft an sich selbst: Wie können wir den Zusammenhalt verbessern?" Es gelte, jede Entwicklung zu verhindern, die zur Folge hätte, Pflege- und Hilfsbedürftigkeit als nicht mehr lebenswert darzustellen: "Jedes Leben ist ein Unikat, jedes Sterben auch", so Müntefering.

Der heroische inszenierte Abgang – "darum geht es nicht"

Diakonie-Chef Lilie unterstützte den Gesetzentwurf der Abgeordnetengruppe um die SPD-Politikerin Kerstin Griese, den CDU-Abgeordneten Michael Brand, Harald Terpe von den Grünen und Kathrin Vogler von der Linksfraktion. Der Bundestag will am 2. Juli über insgesamt vier fraktionsübergreifende Gesetzes-Vorschläge beraten. Sie reichen von Haftstrafen für die Beihilfe zum Suizid bis zur Erlaubnis der Arbeit von Sterbehilfevereinen unter Auflagen.

Lilie sagte, die gegenwärtige Debatte sei gut für eine breite gesellschaftliche Auseinandersetzung mit Sterben und Tod. Doch verenge sie sich allzu oft auf die Frage der Selbstbestimmung und der Selbstdarstellung: "Großartige Persönlichkeiten inszenierten ihren heroischen Abgang – doch darum geht es nicht."

In erster Linie sei es vielmehr notwendig, die Versorgung in Krankenhäusern und Altenheimen zu verbessern, wo die allermeisten Menschen sterben. Mit Blick auf das Palliativgesetz, das im Herbst kurz vor der Neuregelung der Sterbehilfe verabschiedet werden soll, verlangte Lilie, die in Aussicht gestellten Mittel zur besseren Versorgung Sterbender um 400 Millionen Euro nahezu zu verdoppeln.

Bettina Markmeyer (epd)


"Würde, Selbstbestimmung, Sorgekultur - Blinde Flecken in der Sterbehilfedebatte", hg. von Ulrich Lilie, Wolfgang Beer, Edith Droste, Astrid Giebel. der hospiz verlag, Esslingen, 2015. 19,99 Euro.

30. Juni 2015