Die EKD würdigt Egon Bahr als Vordenker der Entspannungspolitik

Egon Bahr bei einem Vortrag auf dem Deutschen Evangelischen Kirchentag 1988 in Erfurt. (Foto: epd-bild/Bernd Bohm)Hannover/Tutzing (epd). Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat den verstorbenen SPD-Politiker Egon Bahr für sein Eintreten für Entspannungspolitik und den Ausgleich mit dem Osten gewürdigt. "Die Tätigkeit von Egon Bahr war geprägt von jahrzehntelangem Engagement für das friedliche Miteinander der Völker und Staaten in aller Welt", sagte der stellvertretende EKD-Ratsvorsitzende und sächsische Landesbischof Jochen Bohl in Hannover.

In der bundesdeutschen Ostpolitik habe er die Verbesserung der Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten maßgeblich mitgestaltet. Dabei habe sich Bahr immer für einen Gewaltverzicht eingesetzt. Bahrs Festhalten am Dialog auch mit Menschen in anderen kulturellen Kontexten und seine Devise "Wandel durch Annäherung" hätten wegweisend gewirkt, sagte Bohl.

Wandel im Ost-West-Konflikt durch kleine Schritte

Egon Bahr starb nach Angaben der SPD am 20. August im Alter von 93 Jahren. Der frühere Bundesminister gilt als Vordenker der von Kanzler Willy Brandt eingeleiteten neuen Deutschland- und Ostpolitik. Die Grundzüge dieses Konzepts erläuterte Bahr bereits 1963 in seiner "Wandel durch Annäherung" überschriebenen Rede in der Evangelischen Akademie Tutzing. Darin warb er dafür, dass Veränderungen im Ost-West-Konflikt langfristig nur mit vielen kleinen Schritten zu erreichen seien. Die Überwindung der deutschen Teilung könne kein einmaliger Akt sein, sondern ein "Prozess mit vielen Schritten und vielen Stationen", sagte Bahr damals.

In den folgenden Jahrzehnten war der SPD-Politiker Bahr immer wieder Gast und Referent in der Evangelischen Akademie. Bei der Sommertagung des Politischen Clubs 2013 bedauerte er, dass die Deutschen auch noch lange nach der von ihm mit eingeleiteten Wiedervereinigung keine nationale Identität gefunden hätten: Aus den "Brüdern und Schwestern" des Wendejahres 1989 seien "Ossis und Wessis" geworden.

"Deutscher Patriot mit Blick für weltpolitische Zusammenhänge"

Akademie-Direktor Udo Hahn würdigte Bahr in einem Nachruf als  "begnadeten Erzähler". Seine Erinnerungen hätten Geschichte lebendig gemacht und geholfen, die Entwicklung der Bundesrepublik besser zu verstehen. Die Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde München, Charlotte Knobloch, nannte Bahr einen "deutschen Patrioten mit dem Blick für weltpolitische Zusammenhänge".

Bahr wurde am 18. März 1922 im thüringischen Treffurt geboren. Seine Mutter war jüdischer Herkunft. Seit den 60er Jahren gehörte Bahr zu den Vertrauten des damaligen Berliner Regierenden Bürgermeisters und späteren Bundeskanzlers Willy Brandt. In der sozialliberalen Bundesregierung war er ab 1969 zunächst Staatsekretär im Kanzleramt, ab 1972 Bundesminister für besondere Aufgaben. In diesen Ämtern war er maßgeblich am Zustandekommen der Ostverträge und dem deutsch-deutschen Grundlagenvertrag beteiligt. Unter Kanzler Helmut Schmidt (SPD) war er zeitweilig Entwicklungsminister.

epd/ekd.de

20. August 2015