Bischof Ulrich: "Wir sind aufgerufen, lebendige Kirche im Hier und Jetzt zu sein"

Hannover/Tirana (epd). Landesbischof Gerhard Ulrich hat die Christen ermuntert, sich gesellschaftlich zu engagieren. "Wir sind aufgerufen, lebendige Kirche im Hier und Jetzt zu sein", zitierte Ulrich in Tirana den Reformator Martin Luther (1483-1546). Der Leitende Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands sprach bei dem interreligiösen Friedenstreffen der Gemeinschaft von Sant'Egidio, das bis zum 8. September in der albanischen Hauptstadt stattfindet.

Gottes Gnade und Barmherzigkeit seien Geschenke, die nicht an Bedingungen geknüpft seien, sagte der Theologe. Damit sei jedoch kein allgemeiner Freibrief ausgestellt, alles zu tun, was man wolle. Zwar gehöre die Befreiung durch Gottes Gnade zum Kern lutherischer Theologie, der auch nach fast 500 Jahren nichts von seiner Bedeutung verloren habe. Sie sei jedoch mit der Verpflichtung zu verantwortlichem Handeln und zur Fürsorge für Gottes Schöpfung verbunden, ergänzte der Bischof. Für die Bewertung von Mensch und Schöpfung dürfe maximaler Profit nicht als Maßstab gelten. "Sie stehen nicht zum Verkauf", sagte Ulrich.

"Wenn in Europa Grenzen geschlossen werden, werden christliche Werte geleugnet"

Der emeritierte Erzbischof von Schweden, Anders Wejryd, ging in Tirana auch auf die aktuelle Flüchtlingskrise ein. "Wenn in Europa Grenzen geschlossen werden, um christliche Werte zu verteidigen, werden zentrale christliche Werte geleugnet", saget er in Anspielung auf Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban. Angesichts der Flüchtlinge in Ungarn hatte der rechtsnationale Regierungschef in der vergangenen Woche die Sorge geäußert, dass die christliche Kultur Europas bereits kaum noch in der Lage sei, Europa in der eigenen christlichen Wertordnung zu halten. Kirchen seien Anwälte für Menschenrechte, wie das Recht auf Asyl, Frieden sowie Religionsfreiheit, sagte der lutherische Theologe, der Europapräsident des Weltkirchenrates ist.

Die Gemeinschaft Sant'Egidio organisiert das interreligiöse Friedenstreffen jährlich in Erinnerung an das Friedensgebet der Weltreligionen, zu dem Johannes Paul II. 1986 nach Assisi eingeladen hatte. Die Begegnung steht unter dem Motto "Frieden ist immer möglich – Religionen und Kulturen im Dialog".

8. September 2015