Späte Hilfen: Behinderte sollen für Misshandlungen in Heimen entschädigt werden

Berlin (epd). Bund, Länder und Kirchen haben sich auf die Gründung einer Stiftung für Menschen verständigt, die als Kinder und Jugendliche in Behindertenheimen misshandelt worden sind. Der Behindertenbeauftragte der Unionsfraktion im Bundestag, Uwe Schummer (CDU), erklärte in Berlin, die Betroffenen sollten über eine Stiftung unter dem Namen "Anerkennung und Hilfe" Zahlungen erhalten. Seinen Angaben zufolge handelt es sich schätzungsweise um 80.000 Menschen, die in der Bundesrepublik zwischen 1949 und 1975 und in der DDR zwischen 1949 und 1990 in "Heimen der Behindertenhilfe, großes Leid erdulden mussten".

Schummer sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), es könne sich bei den Zahlungen "nur um eine pauschale Anerkennung handeln, die sich am Heimkinderfonds orientiert". Über die Einzelheiten solle bis Ende des Jahres entschieden werden. Es müsse "endlich eine Gerechtigkeitslücke geschlossen" werden, sagte Schummer. Bisher erhalten Behinderte – anders als Heimkinder – keine Hilfen.

Das zuständige Bundesarbeitsministerium bestätigte, dass in einer Bund-Länder-Kirchen-Arbeitsgruppe ein Vorschlag für ein Hilfesystem entwickelt worden sei, nannte aber keine Einzelheiten. Am 9. September seien Interessen- und Betroffenenverbände angehört worden. Die Ergebnisse würden in den weiteren Entscheidungsprozess einfließen.

Viele Betroffene warteten schon sehr lange auf eine gerechte Lösung

Die Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Verena Bentele, drängte Bund, Länder und Kirchen, sich schnell über die Finanzierung zu verständigen. Viele Betroffene warteten schon sehr lange auf eine gerechte Lösung.

Aus Teilnehmerkreisen verlautete, es gehe um Summen von 10.000 bis 15.000 Euro je Person. Bund, Länder und Kirchen, die den Fonds finanzieren müssen, hätten teils unterschiedliche Vorschläge unterbreitet, seien sich aber einig, dass den Betroffenen von Juli 2016 an geholfen werden solle. Die Arbeits- und Sozialminister aller Bundesländer mit Ausnahme von Bayern hatten sich noch Ende 2014 gegen einen Hilfefonds ausgesprochen. Die Länder befürchteten aufgrund der Erfahrungen mit dem den Heimkinderfonds, dass die Kosten ausufern könnten. Inzwischen sträuben sich nur noch einige ostdeutsche Länder gegen die Hilfen.

Schummer begrüßte, dass Bund, Länder und Kirchen endlich einen Weg suchten, den Betroffenen zu helfen. Dass die Blockade der Bundesländer gegen Entschädigungsleistungen überwunden werden konnte, sei insbesondere Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zu verdanken, sagte er. Sie habe es sich zur persönlichen Aufgabe gemacht, schnell eine tragfähige Lösung im Sinne der Opfer herbeizuführen.

Die Diakonie Deutschland erklärte, die behinderten Menschen erwarteten, dass sie nicht länger benachteiligt würden. Vorstandmitglied Maria Lohheide sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), die Kirchen hätten sich immer dafür eingesetzt, sie gleich in die Heimkinderfonds aufzunehmen: "Das wäre der beste Weg gewesen", sagte Loheide.

9. September 2015