25 Jahre Deutsche Einheit – Festgottesdienst und Festakt in Frankfurt am Main

Ehrengäste vor Beginn des ökumenischen Gottesdienstes im Frankfurter Dom zum Auftakt der Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit. (Foto: epd-Bild/Thomas Lohnes)Frankfurt a.M. Mit einem ökumenischen Gottesdienst im Frankfurter Dom ist die zentrale Feier zum 25. Jahrestag der Deutschen Einheit eröffnet worden. Der Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Volker Jung, bezeichnete in seiner Predigt die Liebe als die Basis menschlichen Zusammenlebens: "Wer liebt, sieht im anderen Menschen nicht den Fremden, sondern die Schwester, den Bruder", sagte er. "Die Liebe ist der Kompass für das Leben."

Jung legte die biblische Nächstenliebe aus: "Dein Nächster ist wie du darauf angewiesen, ihn in Not nicht verhungern, verdursten oder ertrinken zu lassen." Diese Liebe überwinde Grenzen. Es könne keine Gottesliebe geben, die das Leben von Menschen verachtet, sagte der Kirchenpräsident und wandte sich gegen Extremismus: "Alle irren, die meinen, man könne mit Gottesliebe die Vernichtung von Menschen begründen."

"Die Vielfalt bestimmt unser Land, und wir sind dankbar für sie"

Der Apostolische Administrator des katholischen Bistums Limburg, Weihbischof Manfred Grothe, sagte: "Die Vielfalt bestimmt unser Land, und wir sind dankbar für sie – und genauso ist uns die Einheit unseres Landes ein kostbares Geschenk und hohes Gut." Am Gottesdienst nahmen unter anderen Bundespräsident Joachim Gauck, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), Bundesratspräsident Volker Bouffier (CDU) und Bundesverfassungsgerichtspräsident Andreas Voßkuhle teil.

Die jüdische Rabbinerin Elisa Klapheck wies im Gottesdienst darauf hin, dass Rechtsradikalismus und Neonazis noch immer zur deutschen Realität gehörten. Dennoch habe der Mauerfall zu einer Wiedergeburt jüdischen Lebens in Deutschland geführt. Der islamische Imam Selcuk Dogruer lobte das zivilgesellschaftliche Engagement für Flüchtlinge. "Wir Muslime verurteilen unmissverständlich jeden Missbrauch von Religion zur Rechtfertigung von Gewalt und Diskriminierung", sagte er.

Der Vertreter der Sikh-Religion, Khushwant Singh, rief dazu auf, gemeinsam die Einheit unter den Menschen zu stärken. "Wer Egoismus überwindet, dem steht das Universum offen", sagte er. Weitere Mitwirkende der Feier berichteten, wie sie in ihrem Leben die Überwindung von Grenzen erfahren hatten. Der Mitbegründer der innerdeutschen Gedenkstätte Point Alpha bei Geisa, Berthold Dücker, erzählte von seiner Flucht durch den früheren DDR-Todesstreifen. Die mit ihrer Familie aus Eritrea geflohene Abiturientin Betelihem Fisshaye berichtete davon, wie sie in Deutschland eine neue Heimat fand.

Der seit einer Ausgabe der ZDF-Sendung "Wetten, dass..?" gelähmte Schauspieler Samuel Koch berichtete, mit welchen Grenzen ein Rollstuhlfahrer kämpfen muss. Diese Probleme kämen ihm aber klein vor gegenüber dem, was Menschen in Krieg und Terror durchmachen müssten. "Alle haben ein Recht darauf, dass Grenzen und Hindernisse sie nicht am Leben hindern", sagte er. Rund 120 Sänger und Musiker waren an der Gestaltung des Gottesdienstes beteiligt und führten eigens für den Festtag angefertigte Kompositionen auf.

Eine Herausforderung, die Generationen beschäftigen wird

Nach dem Gottesdienst machten sich die Staatsvertreter auf den Weg zur Alten Oper zum zentralen Festtakt. Unter den 1.300 Geladenen dort waren 50 ehemalige DDR-Bürgerrechtler, Bürgerdelegationen und 30 Flüchtlinge, zudem der EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, Mitglieder des Bundeskabinetts und der Länderkabinette.

Die Spitzenpolitiker schworen die Deutschen auf langanhaltende Anstrengungen zur Integration von Flüchtlingen und Zuwanderern ein. Wie bei der Vereinigung 1990 "erwartet uns alle eine Herausforderung, die Generationen beschäftigen wird", sagte Bundespräsident Joachim Gauck in seiner Rede zum zentralen Festakt: "Doch anders als damals soll nun zusammenwachsen, was bisher nicht zusammengehörte."

Die innere Einheit müsse neu errungen werden, sagte Gauck. Dabei stünden die im Grundgesetz festgeschriebenen Werte nicht zur Disposition. "Toleranz für Intoleranz darf es nicht geben", sagte der Bundespräsident. Es brauche Zeit, bis sich die Neuankommenden an eine Gesellschaftsordnung gewöhnen, "die sie nicht selten in Konflikt mit ihren traditionellen Normen bringt". Auch müssten sich Einheimische an ein Land gewöhnen, in dem Vertrautes zuweilen verloren geht. "Lassen Sie aus Kontroversen keine Feindschaften entstehen", sagte Gauck vor den Gästen aus dem In- und Ausland in der Frankfurter Alten Oper.

Flüchtlinge zum Festakt geladen

Beim Festakt in Frankfurt ging auch der gastgebende hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) auf die aktuelle Flüchtlingskrise ein und lobte das Engagement der Deutschen als beispielhaft. Nun gelte es, die Flüchtlinge zu Mitbürgern werden zu lassen. Das wiedervereinigte Deutschland sei ein weltoffenes und tolerantes Land, sagte der amtierende Bundesratspräsident und hieß eine Gruppe von Flüchtlingen willkommen, die er zu dem Festakt eingeladen hatte.

Der Festakt "25 Jahre Deutsche Einheit" war der Höhepunkt der zentralen Feierlichkeiten zum 3. Oktober in Frankfurt. 1,4 Millionen Menschen besuchten vom 2. bis 4. Oktober ein Bürgerfest. Wie die Polizei mitteilte, blieben die Feiern weitgehend störungsfrei. Am 2. Oktober hatte es an einzelnen Stellen Proteste von Gruppen linksgerichteter Gegner der Einheitsfeier gegeben. Zwei Polizisten wurden nach einem Buttersäure-Anschlag vorübergehend im Krankenhaus behandelt.

In Berlin fand vor dem Brandenburger Tor ein "Festival der Einheit" statt. Auch in zahlreichen anderen deutschen Städten wurde am Wochenende gefeiert und an den Beitritt der DDR zur Bundesrepublik am 3. Oktober 1990 erinnert.

epd/ekd.de

5. Oktober 2015