Schinkel-Kirche drohen neue Schäden

Berlin (epd). Ein einzigartiges Baudenkmal ist in Gefahr: Die von Karl Friedrich Schinkel erbaute Friedrichswerdersche Kirche in der historischen Mitte Berlins wird derzeit von mehreren Seiten durch Wohn- und Geschäftshäuser zugebaut. Jetzt schlägt die Landeskirche zusammen mit der betroffenen Kirchengemeinde in der Friedrichstadt Alarm: "Wir sind entsetzt, wie mit einem Denkmal von internationalem Rang umgegangen wird. Es wird Zeit für ein Umdenken", sagte der Konsistorialpräsident der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Jörg Antoine, bei einer Begehung des Schinkel-Baus am Werderschen Markt.

Die Friedrichswerdersche Kirche ist von Baustellen umzingelt. (Foto: epd-Bild/Gerold Meppelink)Die Kirche ist laut Stiftung Preußischer Kulturbesitz das einzige öffentliche Gebäude Schinkels, das innen wie außen weitgehend originalgetreu erhalten ist. Der bis 1830 im neugotischen Stil errichtete Backsteinbau ist seit Ende 2012 geschlossen. Im Inneren laufen umfassende Renovierungs- und Sicherungsarbeiten. Ein raumfüllendes Gerüst steht im Kirchenschiff.

Tiefe Risse im Fundament

Der Grund: In gerade einmal 3,5 Meter Entfernung westlich des Kirchenschiffes erhebt sich ein neuerrichtetes siebenstöckiges Wohn- und Geschäftshaus. Bauarbeiten, Tiefenbohrungen und Aushub sorgten in der benachbarten Kirche für fingerdicke Risse vom Fundament bis hoch in das Gewölbe, wie der Leiter des kirchlichen Bauamtes, Matthias Hoffmann-Tauschwitz, erläuterte. Der Putz fiel von der Decke. Die eine Hälfte des Schinkelbaus neigte sich Richtung Baugrube, für den Laien ein Bild der Verwüstung, so Pfarrer Stephan Frielinghaus gegenüber einer Zeitung. Daraufhin reagierte der Investor Bauwert und pumpte auf eigene Kosten Zement in das Fundament der Kirche. Die Schäden würden bleiben und könnten nur optisch kaschiert werden, sagte Antoine.

Jetzt droht neues Ungemach von der Ostseite der Kirche in zehn Meter Entfernung: Dort wolle die Frankonia Eurobau AG ebenfalls ein Wohnhaus im Premiumsegment - wie Antoine es bezeichnet - errichten. Mit den Tiefbauarbeiten soll demnächst begonnen werden. Die Landeskirche hofft auf eine "nachbarschaftliche Vereinbarung" mit dem Investor.

Einspruch erfolglos

Darin soll festgehalten werden, dass wie beim Bau auf der Westseite der Kirche, Vorkehrungen getroffen werden, die Schäden frühzeitig zu erkennen. Dazu müssten hochsensible Sensoren montiert werden. Außerdem soll sich die Frankonia verpflichten, im Schadensfall den Bau zu stoppen und für eine Beseitigung der Schäden zu sorgen. Laut Hoffmann-Tauschwitz hat das Bauunternehmen bereits mitgeteilt, dies zu akzeptieren. Ein Bestätigung durch das Unternehmen war zunächst nicht zu bekommen.

Warum die Kirche erst jetzt Alarm schlägt, ist laut Konsistorium der besonderen Rechtslage geschuldet. Danach sind beide Bauvorhaben von der Baugenehmigungspflicht befreit. Allein die jeweiligen Bebauungspläne seien maßgeblich. Gegen den äußerst geringen Abstand und die Höhe der Nachbarbebauung hatte die Kirche bereits 2012 Einwände erhoben - "leider erfolglos", wie Hoffmann-Tauschwitz erklärte.

Jetzt sei der Bezirk an der Reihe, das Bauvorhaben rechtlich in die Schranken zu weisen. Welche Handhabe er dazu hat, blieb offen. Laut Gutachten drohen ähnliche Schäden wie beim ersten Bauprojekt aufzutreten. Bis der erste Putz von der Decke fiel, hatte die Alte Nationalgalerie in der Schinkel-Kirche eine Auswahl an Skulpturen aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts präsentiert.

23. Oktober 2015