Freiheit statt Mauern und Ressentiments – Predigten zum Reformationstag

Straßburg (epd). Am Reformationstag hat die evangelische Kirche dazu aufgerufen, den Zuzug von Flüchtlingen als Chance zur gesellschaftlichen Erneuerung zu begreifen. Europa brauche "Menschen, die neue Wege zeigen", sagte die Reformationsbotschafterin der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Margot Käßmann, in der Thomaskirche im französischen Straßburg. Trotz aller Herausforderungen sollten die Flüchtlinge nicht als Bedrängnis empfunden werden. Sie könnten "durch eine lebensfrohe Kultur" bereichern, "weil wir manchmal allzu eng geworden sind".

Margot Käßmann predigt in St. Thomas (Foto: epd-Bild/Winfried Rothermel)Käßmann predigte im Gottesdienst zur Eröffnung des Themenjahrs "Reformation und die Eine Welt" im Rahmen der Lutherdekade, das die globale Dimension der Reformation in den Mittelpunkt rückt. Mit der Lutherdekade bereiten Staat und EKD seit  2008 gemeinsam das 500. Reformationsjubiläum 2017 vor.

Nordkirchen-Bischof Gerhard Ulrich appellierte an die Christen, die gesellschaftlichen Veränderungen durch den Flüchtlingszuzug aktiv mitzugestalten. Das Wort Gottes mache frei von Ängsten vor den Fremden und vor Veränderungen, sagte er in einem ARD-Fernsehgottesdienst in Hamburg. Es sei das Verdienst Martin Luthers, dieses befreiende Wort allen Menschen zugänglich gemacht zu haben.

Nüchternheit und Menschenwürde

Der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung riet angesichts der aktuellen Flüchtlingssituation zu "Vertrauen auf die Kraft der Barmherzigkeit". Jetzt gehe es konkret darum, was Schutzsuchende "brauchen und wie wir ihnen helfen und nicht, wie wir uns vor ihnen schützen können", sagte Jung in der Wiesbadener Lutherkirche. Er rief zu Nüchternheit und gegenseitiger Ermutigung auf und zollte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) "großen Respekt" dafür, dass sie "die Frage nach der Not der Menschen erst einmal obenan gestellt hat".

Der Berliner Landesbischof Markus Dröge mahnte die Beachtung der Menschenwürde in der Flüchtlingspolitik an. Derzeit sei die zentrale Frage: "Wie bewahren wir die Würde des Menschen, und zwar sowohl derer, die aus Not zu uns kommen, als auch unsere eigene Würde?" sagte er in Brandenburg an der Havel. Die Menschen in Deutschland und Europa könnten helfen - "das gehört zu unserer Würde", erklärte der Bischof.

Der pfälzische Kirchenpräsident Christian Schad sagte in der Zweibrücker Alexanderskirche: "Bauen wir gerade jetzt Mauern und Ressentiments ab." Die christliche Freiheit als Kern des Evangeliums verpflichte dazu, sich für den Nächsten in Not einzusetzen. Zu lange hätten auch Christen zugeschaut, wie sich in vielen Regionen der Welt Kriege ausgebreitet hätten und Menschen zur Flucht gezwungen worden seien.

Das traditionelle Reformationsfest in Wittenberg lockte rund 25.000 Besucher an. Zum Programm gehörten Musik- und Theateraufführungen, ein historisches Marktspektakel und das 16. Konfirmandentreffen "Lutherspaß" mit 500 Teilnehmern.

2. November 2015