Präses Rekowski und Bischof Hein zur internationalen Verantwortung in der Flüchtlingskrise

Kassel/Düsseldorf. Der Bischof der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Martin Hein, hat sich gegen eine Begrenzung der Flüchtlingszahl in Deutschland ausgesprochen. Die Möglichkeiten zur Hilfe für Flüchtlinge in Deutschland seien zwar begrenzt, aber noch nicht erschöpft, sagte er der Zeitung "Hessische/Niedersächsische Allgemeine".

Der kurhessische Bischof rechnet nicht mit einem baldigen Ende des Flüchtlingzuzugs. So lange die Ursachen nicht beseitigt würden, werde die Flucht weitergehen, sagte er. "Wir werden es, auch wenn viele das nicht hören wollen, mit einer Völkerwanderung zu tun haben." Hein forderte angesichts der großen Zahl von Flüchtlingen eine europäische Lösung. Wenn jetzt nur noch nationale und egoistische Politik betrieben werde, stehe Europa in Gefahr zu scheitern, sagte der Theologe.

Kirchen für Flüchtlinge öffnen

Angesichts des bevorstehenden Winters rief der Bischof die Kirchengemeinden erneut dazu auf, bei Bedarf auch Kirchen für Flüchtlinge zu öffnen. Bevor Menschen erfrieren, sei es ein Gebot der Nächstenliebe, hier schnell und unbürokratisch zu helfen, sagte Hein. Bereits jetzt stünden in der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck 43 Immobilien zur Unterbringung von Flüchtlingen zur Verfügung. Darüber hinaus habe die Kirche eine Million Euro bereitgestellt, um die Beratung von Flüchtlingen und die Begleitung von Ehrenamtlichen zu fördern.

Auch der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski, sieht die Ursachen von Flucht im internationalen Kontext. Flüchtlingsproblematik und Friedensfrage lassen sich seiner Ansicht nach nicht trennen. "Wir sind Mitverursacher wirtschaftlicher Not, die mit Verdrängungs- und Verteilungskämpfen einhergeht und große Wanderungs- und Fluchtbewegungen auslöst", erklärte der leitende Theologe der Evangelischen Kirche im Rheinland in einem Brief an die Gemeinden und Kirchenkreise. Auch die deutsche Rüstungsproduktion und der Waffenhandel seien mitverantwortlich für Kriege und Gewalt, heißt es in dem Schreiben zur Ökumenischen Friedensdekade, die am 8. November beginnt.

Ökumenische Friedensdekade unter der Überschrift "Grenzerfahrung"

Um Frieden zu schaffen hält der Theologe Konzepte für gewaltfreie Konfliktlösungen und Konfliktprävention für notwendig. Dazu gehörten unter anderem Maßnahmen zur Herstellung wirtschaftlicher Gerechtigkeit und demokratischer Strukturen sowie eine deutliche Verstärkung des zivilen Friedensdienstes. Außerdem forderte Rekowski den Abzug aller Atomwaffen aus Deutschland.

Besorgt äußerte sich Rekowski zur aktuellen Entwicklung der Europäischen Union, die einst mit der Vision eines großen gemeinsamen Friedensprojekts gestartet sei. "Doch in den letzten Monaten erleben wir abgrenzende, populistische und nationalistische Bewegungen." An den Grenzen würden Stacheldrähte gezogen und Zäune errichtet, kritisiert der rheinische Präses. "Europa wird zu einer Festung entwickelt in der irrigen Annahme, so Territorien, Wohlstand und Lebensstandards zu schützen."

Die bundesweite 36. Ökumenische Friedensdekade steht in diesem Jahr unter der Überschrift "Grenzerfahrung". Vom 8. bis zum 18. November finden in vielen Gemeinden Friedensgebete und Gottesdienste, Veranstaltungen und Aktionstage statt.

epd/ekd.de

4. November 2015