Der Papst hat die evangelisch-lutherische Kirche in Rom besucht

Rom (epd). Papst Franziskus hat in der Frage gemeinsamer Abendmahlsfeiern von Katholiken und Lutheranern die Möglichkeit freier Gewissensentscheidungen angedeutet. Das Leben sei "größer als Interpretationen", sagte er am 15. November bei einem Besuch in der evangelisch-lutherischen Christuskirche in Rom mit Blick auf das unterschiedliche Abendmahlsverständnis von Katholiken und Lutheranern. Beide teilten die gleiche Taufe. Jeder müsse für sich eine Antwort finden. 

"Ich werde es nie wagen, es zuzulassen, denn das liegt nicht in meiner Kompetenz", sagte das Oberhaupt der katholischen Kirche. Die Gläubigen sollten zu Gott sprechen und voranschreiten. "Mehr wage ich nicht zu sagen", ergänzte der Papst.

Dritter Papstbesuch in der Christuskirche

Franziskus ist bereits der dritte Papst, der die rund hundert Jahre alte evangelisch-lutherische Kirche in der römischen Innenstadt besuchte. Zuvor waren seine beiden Vorgänger, Johannes Paul II. und Benedikt XVI., einer Einladung der lutherischen Minderheitskirche gefolgt.

Als erstes Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche besuchte 1983 Johannes Paul II. mit der Christuskirche ein protestantisches Gotteshaus. Sein Nachfolger, Papst Benedikt XVI., predigte im März 2010 während eines Gottesdienstes in der Christuskirche. Bereits 1998 hatte Joseph Ratzinger als Präfekt der römischen Glaubenskongregation mit dem damaligen Berliner Bischof Wolfgang Huber in der Christusgemeinde über den Stand des evangelisch-katholischen Miteinanders debattiert. Vor zwei Wochen predigte Vatikan-Botschafterin Annette Schavan, bekennende Katholikin, in der Christuskirche über das "Gesetz des Glaubens - ein Ruf in die Freiheit".

Reger Austausch mit der katholischen und anderen Kirchen in Rom

"Wir wollen zeigen, dass Rom ein guter Ort ist, um evangelisch zu sein", sagte Pfarrer Jens-Martin Kruse 2012 anlässlich eines ZDF-Fernesehgottesdienstes aus der Christuskirche. Die Gemeinde deutschsprachiger evangelischer Christen pflegt einen regen Austausch mit der katholischen und zahlreichen anderen Kirchen in Rom. Neben den Kontakten in den Vatikan bestehen auch Beziehungen zur italienischen evangelischen Kirche der Waldenser, zur deutschsprachigen katholischen Gemeinde Santa Maria dell' Anima in Rom, zu den englischsprachigen protestantischen Kirchen, zur Diözese Rom sowie den katholischen Kirchen im Stadtteil.

Die Evangelisch-Lutherische Gemeinde zählt rund 500 deutschsprachige Mitglieder, die sich aus beruflichen oder familiären Gründen oder zum Studium in Rom und Umgebung aufhalten. Die Christuskirche wurde 1922 eingeweiht, acht Jahre nachdem sie im Kriegsjahr 1914 fertiggestellt wurde. Der Kirchenraum nach den Plänen des Architekten Franz Schwechten ist spätwilhelminisch gehalten. Der hochragende Turm erhielt eine Kopie des Geläuts der Schlosskirche in Wittenberg. Nach mehrjähriger Instandsetzung läuten seit 2010 über der Christuskirche wieder die nach Wittenberger Vorbild 1913 im thüringischen Apolda gegossenen Glocken zum Gottesdienst.

"Piazza Martin Lutero" auf einem Hügel oberhalb des Kolosseums

Zur 300-Jahr-Feier der Reformation versammelten sich erstmals 1817 die Lutheraner in Rom. Anfänglich trafen sie sich in einer Hauskapelle der Preußischen Gesandtschaft auf dem römischen Kapitolshügel zum Gottesdienst. Der preußische König Friedrich Wilhelm III. entsandte 1819 mit Heinrich Schmieder den ersten evangelischen Pfarrer nach Rom. Aus dem Schutz der Botschaft konnte die evangelisch-lutherische Gemeinde erst 1870 treten. Denn bis zur Einigung Italiens gehörte Rom zum Kirchenstaat. Bis 1915 fanden die Gottesdienste der lutherischen Minderheitskirche weiterhin in einem zur Kapelle hergerichteten Botschaftsraum statt.

Seit September gibt es in Rom sogar einen Platz, der nach dem Reformator Martin Luther benannt ist, die "Piazza Martin Lutero" auf einem Hügel oberhalb des Kolosseums. Dabei handele es sich um eine erfreuliche Geste, die man allerdings nicht überschätzen dürfe, sagte der evangelische Kirchenhistoriker Martin Wallraff bei dieser Gelegenheit. Der Platz sei zwar zentral gelegen, aber keine prominente Stelle und ohne konkreten historischen Bezug zu Luther. Dieser habe bei seinem Rom-Aufenthalt 1510 keine unmittelbaren Spuren hinterlassen. Pfarrer Kruse sagte anlässlich der Widmung, der Platz sei "Ausdruck einer lebendigen und vielfältigen Ökumene". 

16. November 2015