Blaulicht statt Lichterkette – Terrorwarnung stoppt das Fußballspiel

Hannover (epd). Gerade sind die vielen Menschen mit den Kerzen in den Händen vor dem Stadion in Hannover angekommen. Sie reihen sich zu einer Lichterkette, mit der sie vor dem Freundschaftsspiel der deutschen Elf gegen die Niederlande Solidarität zeigen wollen mit den Anschlagsopfern in Paris. Dann kommt alles anders.

Rund 35.000 Zuschauer wollten am Abend des 17. November ein friedliches Länderspiel erleben, doch anderthalb Stunden vor dem Anpfiff schallt es durch die Megafone der Polizei: "Das Spiel wurde aus Sicherheitsgründen abgesagt." Alle werden gebeten, "zügig, aber ohne Panik nach Hause zu gehen". Vor dem Anpfiff wollten die Menschen im Stadion mit einer Schweigeminute an die Opfer von Paris erinnern. Und die die Fans der deutschen und der niederländischen Nationalmannschaft sollten gemeinsam die französische "Marseillaise" anstimmen und auf ihre Nationalhymnen verzichten.

Es ist erst vier Tage her, dass am 13. November bei einer Anschlagsserie mehr als 130 Menschen getötet und über 350 teilweise schwer verletzt worden sind. Zur Zeit der Anschläge hatte die Nationalmannschaft gegen Frankreich gespielt, einige Attentäter zündeten Sprengsätze unmittelbar am Stadion.

Die Kerze in der Hand brennt noch

Um diesem Terror zu trotzen, sind in Hannover mehr als Tausend Menschen zu der Lichterkette gekommen. Die Stadt, die Kirchen und weitere Religionsgemeinschaften hatten dazu aufgerufen. Jetzt gehen alle wieder nach Hause, durch die Dunkelheit, die vom Blaulicht der vielen Polizeiwagen durchbrochen wird. "Die Polizei hat eine Gefährdungseinschätzung", sagt Hannovers Oberbürgermeister Stefan Schostok (SPD) noch vor dem Stadion. "Es wird Gründe geben." Und er fügt an: "Ich bin mir sicher, dass die Menschen weiter zeigen wollen, dass nicht Angst ihren Alltag bestimmt."

Jan Ikenmeyer fürchtet sich nicht, aber er ist enttäuscht. "Jetzt haben sie es geschafft", sagt der 22-Jährige. Die Kerze in seiner Hand brennt noch. Zwei Frauen äußern Verständnis für die Entscheidung der Polizei. Ein 41-jähriger Fußballfan will vor allem das Geld für die Eintrittskarte zurück.

"Diesen Gefallen dürfen wir den Terroristen nicht tun"

Nur etwa eine Viertelstunde zuvor hatte der Landesbischof der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers, Ralf Meister, in Radiomikrofone gesagt, dass er keinerlei Angst habe. "Das ist ja das, was erreicht werden soll, eine Gesellschaft zu verängstigen", sagte der evangelische Bischof. "Diesen Gefallen dürfen wir den Terroristen nicht tun." In der sich noch formierenden Lichterkette steht Meister neben Ehefrau und Sohn und dem niedersächsischen Landesvorsitzenden der Muslime, Avni Altiner.

Für Altiner ist es eine Selbstverständlichkeit, bei der Lichterkette Solidarität zu zeigen. "Wir sind Teil dieser Gesellschaft und wollen nicht, dass Tyrannen und Barbaren sie kaputt machen", betont er. Sein Mitgefühl gehöre der französischen Bevölkerung, fügt er hinzu: "Aber es gibt keinen einzigen Tag, an dem nicht ein Muslim durch diese Terroristen stirbt."

Die 31-jährige Diana Schild, die sich in ihrer Freizeit für den Flüchtlingsverein "Crescent Noah" in Hannover engagiert, gehört zu denen, die ins Stadion wollten und jetzt wieder umkehren. Der Deutsche Fußball-Bund hatte rund 2.000 Tickets an Menschen verteilt, die sich wie Schild in der Flüchtlingshilfe engagieren. Auch sie ist enttäuscht: "Es ist so schade, wir haben uns so auf das Spiel und einen Abend im Zeichen des Friedens gefreut."

Katharina Hamel und Karen Miether (epd)

18. November 2015