Bad Aibling: Notfallseelsorger im Einsatz

München (epd). Rund 600 evangelische Notfallseelsorger in Bayern kümmern sich bei Unglücksfällen wie dem Zugunglück von Bad Aibling um Leichtverletzte, Angehörige und Einsatzkräfte. Pfarrer Hanjo von Wietersheim erklärt im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd), worauf es im Ernstfall ankommt. Er ist Beauftragter für Notfallseelsorge der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern.

Herr von Wietersheim, was ist für die Notfallseelsorger in so einem akuten Fall wie dem Zugunglück von Bad Aibling zu tun?

Hanjo von Wietersheim: Zunächst müssen sie sich um die Betroffenen vor Ort kümmern. Schwerverletzte Menschen werden gut von den Rettungskräften versorgt, deshalb sind die Notfallseelsorger vor allem für die Leichtverletzten zuständig, die das Unglück miterlebt haben. Manche Menschen kommen mit so einer Situation sehr gut klar, für die geht es eher um organisatorische Fragen, ob sie zum Beispiel einen Anschlusstermin noch erreichen. Andere sind sehr erschüttert, vor allem wenn es ein Unglück mit Toten und Schwerverletzten ist. Die fragen sich: Hätte mir das auch passieren können? Solche Gespräche sind dann Aufgabe für die Notfallseelsorger.

Wie groß sind die Notfallseelsorger-Teams und wie lange dauert ihr Einsatz?

Wietersheim: Bei solchen Unglücken wie in Bad Aibling werden auch Kräfte aus den Nachbarlandkreisen hinzugezogen. Notfallseelsorge muss solange präsent sein, bis die Lage vor Ort geklärt ist. Aber danach hört die Arbeit nicht auf. Wenn die Polizei Todesnachrichten überbringen muss, sind ebenfalls Notfallseelsorger dabei, die dann die Angehörigen im häuslichen Umfeld betreuen – das sind allerdings andere, als die, die an der Unglücksstelle selbst in Einsatz waren. Und noch später geht es dann darum, den Einsatz mit den Polizisten und Rettungskräfte nachzuarbeiten, die vor Ort dabei waren. 

Wie sind die Notfallseelsorger ausgebildet, und wie gehen sie mit dem um, was sie bei einem Unglück erleben?

Wietersheim: In der evangelischen Landeskirche in Bayern gibt es rund 600 Notfallseelsorger. Diese Menschen sind ja im Hauptberuf bereits Seelsorger; zusätzlich zu ihrer Berufsausbildung haben sie noch eine 80 Stunden umfassende Fortbildung für die Notfallseelsorge absolviert und nehmen regelmäßig an Weiterbildungen teil. Während eines Einsatzes sind Notfallseelsorger – genau wie die anderen Einsatzkräfte – sehr konzentriert. Sie wissen in der Regel, was sie vor Ort erwartet, und sie sind durch ihr Team geschützt. Ihr Vorteil ist, dass jeder ein sehr begrenztes Aufgabengebiet hat: Der Rettungssanitäter kümmert sich um einen Verletzten, die Notfallseelsorgerin um einen Gesprächspartner. Dennoch ist es gut, sich hinterher Zeit zu nehmen und den Einsatz zu reflektieren. Dafür gibt es Supervision und seelsorgerliche Gespräche. 

9. Februar 2016