Pietisten bekennen sich zu gemeinsamen Zielen, wollen "Spannungen aber bewusst aushalten"

Frankfurt a.M (epd). In der Kontroverse über den Kurs der evangelikalen Bewegung hat der Evangelische Gnadauer Gemeinschaftsverband zum Zusammenhalt aufgerufen. "Eine Spaltung dient angesichts der Herausforderungen unserer Zeit niemandem, dagegen verbindet uns sehr viel Gemeinsames an Geschichte und Zielen. Darauf wollen wir uns konzentrieren", sagte Generalsekretär Frank Spatz am 20. Februar nach der Mitgliederversammlung der größten pietistischen Vereinigung in Deutschland in Schwäbisch Gmünd dem Evangelischen Pressedienst (epd). Bei dem Streit innerhalb der evangelikalen Bewegung geht es unter anderem um den Umgang mit der Homosexualität und die Auslegung der Bibel.

"Wir wollen als Gemeinschaftsbewegung beieinander bleiben", fügte Spatz hinzu. In einer mit großer Mehrheit verabschiedeten Erklärung heißt es: "In unserem Miteinander wollen wir aufeinander hören und Spannungen bewusst aushalten." Im Ringen um das rechte Verständnis der Bibel "halten wir Unterschiede aus, die es nicht nur in unserer Kirche, sondern auch innerhalb des Pietismus immer gegeben hat und bis heute gibt", wird in dem zweiseitigen Text erklärt. 

Auslöser der Kontroverse waren Aussagen des Vorsitzenden der Deutschen Evangelischen Allianz, Michael Diener, der dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) angehört. Diener ist zudem Präses des Gnadauer Gemeinschaftsverbandes. Der pfälzische Pfarrer hatte die evangelikalen Christen zu mehr Selbstkritik ermutigt, vor Abschottung gegen die Landeskirchen gewarnt und für mehr Toleranz auch gegenüber Homosexuellen geworben. Diener hatte die Irritationen bedauert, die seine Äußerungen ausgelöst hatten.

Geteilte Meinung über homosexuelle Lebensweise

Zum Thema Homosexualität heißt es jetzt in der Erklärung des Gnadauer Verbandes: "Aus unserer Sicht lassen sich biblische Aussagen über den Willen Gottes und eine homosexuelle Lebensweise nicht in Einklang bringen." Gleichwohl gebe es "einige unter uns, die an dieser Stelle eine andere exegetische Einsicht haben oder die aus dem gleichen exegetischen Befund andere Schlussfolgerungen ziehen", räumt die pietistische Dachorganisation ein. Exegese ist die Auslegung von Schriften.

Gott segne die Ehe von Mann und Frau in besonderer Weise, hieß es weiter. Der Trausegen könne darum nicht auf eine gleichgeschlechtliche Lebensform übertragen werden. Menschen, die in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft lebten, könnten daher "weder in den Verkündigungsdienst noch in Leitungsaufgaben" berufen werden, denn "Leben und Lehre gehören zusammen".

Der Gnadauer Verband mit Sitz in Kassel versteht sich als Dachorganisation des deutschsprachigen Pietismus. Er repräsentiert als größte Laienbewegung in der Evangelischen Kirche in Deutschland rund 200.000 Mitglieder. Seinen Namen hat der seit 1888 bestehende Verband nach seinem Gründungsort Gnadau bei Magdeburg in Sachsen-Anhalt. Der Pietismus gehört zu den großen geistlichen Strömungen und Reformbewegungen innerhalb der evangelischen Kirche. Als sein Begründer gilt der Theologe Philipp Jakob Spener (1635-1705).

22. Februar 2016