Synodenpräses Irmgard Schwaetzer nimmt in Gemeinden viel Empathie gegenüber Flüchtlingen wahr

Frankfurt a.M. (epd). Die Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Irmgard Schwaetzer, hält fremdenfeindliche Positionen für unvereinbar mit einem kirchlichen Engagement. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass in meiner Gemeinde Menschen mit fremdenfeindlichen oder ausgrenzenden Ansichten auf die Kandidatenliste von Gemeindekirchenratswahlen kommen", sagte Schwaetzer, die seit 2013 dem obersten protestantischen Kirchenparlament vorsteht, dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Führende Vertreter der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) wie der Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm positionieren sich in der Flüchtlingspolitik sehr deutlich, sie lehnen zum Beispiel eine Obergrenze ab, plädieren für Familiennachzug und eine europäische Lösung. Welchen Eindruck haben Sie von der Basis, sehen das alle Kirchenmitglieder so?

Irmgard Schwaetzer: Die aktiven Gemeindeglieder unterstützen die Position, die die Synode über die Jahre meist einstimmig beschlossen und die der Rat der EKD bekräftigt hat: für ein offenes Land, für die Empathie gegenüber den Flüchtlingen, für eine menschenwürdige Aufnahme und Behandlung der Menschen, die Schutz suchen. Das wird nicht zuletzt durch das nach wie vor hohe ehrenamtliche Engagement in den Gemeinden deutlich. Aber ich glaube auch, dass es bei denen, die wir in Gottesdiensten und Veranstaltungen nicht sehen, auch Bedenken gibt. Wir sind alle gefordert, mit denen zu diskutieren, die sich nicht so sicher sind, wie wir das alles schaffen können. Wir sollten versuchen, sie davon zu überzeugen, dass wir als Gesellschaft die Kraft haben, diese riesige Aufgabe zu schaffen.

Befürchten Sie, dass Mitglieder aus Protest austreten könnten?

Schwaetzer: Davon ist mir bisher nichts bekannt. Dagegen spricht auch eine Studie des Sozialwissenschaftlichen Instituts der EKD vom Dezember: Nach wie vor stimmen fast 90 Prozent der Befragten der Aussage zu, dass Deutschland durch sein Engagement Menschen in existenzieller Not beisteht. Das zeigt, dass die Menschen die Notwendigkeit der Hilfe anerkennen.

Der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Markus Dröge, hat gesagt, bei Wahlen der Gemeindekirchenräte dürften Menschen nicht auf die Kandidatenliste, die nachweisbar "selber menschenverachtende Parolen in die Welt gesetzt haben". Und er hat sich auch gegen die AfD klar positioniert. Sehen die Mitglieder das auch so?

Schwaetzer: Die Berliner Synode, in der ich auch Mitglied bin, hat schon vor drei Jahren gesagt, dass der jeweilige Gemeindekirchenrat bei solchen Fragen Einzelfallentscheidungen treffen muss. Die Synode hat aber eine eindeutige Empfehlung gegeben: Wir können uns nicht vorstellen, mit einem Menschen im Gemeindekirchenrat zusammenzuarbeiten, der das Neue Testament abgrenzend und fremdenfeindlich interpretiert. 

Wie sehen Sie persönlich das?

Schwaetzer: Ich kann mir nicht vorstellen, dass in meiner Gemeinde Menschen mit fremdenfeindlichen oder ausgrenzenden Ansichten auf die Kandidatenliste von Gemeindekirchenratswahlen kommen. Und ich glaube, dass wird ganz weitgehend in der evangelischen Kirche geteilt. Wo das doch der Fall sein wird, wird der Gemeindekirchenrat darüber entscheiden.

Aber wenn jemand nicht in der AfD ist, aber dennoch Positionen vertritt, die gegen die Linie der EKD laufen?

Schwaetzer: Die Positionierung gilt für alle Bewerber und nicht nur für Bewerber, die Mitglied einer bestimmten Partei sind. So oder so müsste diese Person es zunächst auf die Wahlliste schaffen und dann von den Gemeindegliedern gewählt werden. Ich vertraue darauf, dass unsere Gemeindeglieder so klug sind, die richtige Auswahl zu treffen.

In den vergangenen Jahren hat die evangelische Kirche immer weiter Mitglieder verloren. Was kann die Synode dagegen tun?

Schwaetzer: Natürlich schmerzt uns jedes Gemeindeglied, das austritt. Wir wollen unser Engagement vor allem bei Kindern und Jugendlichen verstärken, es zum Beispiel Eltern erleichtern, ihre Kinder zur Taufe zu bringen. In Kitas und Schulen soll die Glaubenspraxis noch stärker eingeübt werden, denn das trägt auch später im Erwachsenenleben.

Interview: Wiebke Rannenberg (epd)

22. Februar 2016