Ökumene-Experte: Der Papst-Brief an Küng ist kein Aufbruch in der Ökumene

Bensheim (epd). Ein Brief von Papst Franziskus an den Tübinger Theologen Hans Küng zum Unfehlbarkeits-Dogma der katholischen Kirche wird von dem Ökumene-Experten Paul Metzger kritisch bewertet. Ob die Antwort des Papstes "einen Aufbruch in eine neue Phase der Ökumene darstellt, darf bezweifelt werden", sagte der Catholica-Referent am Konfessionskundlichen Institut Bensheim am 27. April dem Evangelischen Pressedienst (epd). Momentan scheine nicht absehbar, dass das Dogma der Unfehlbarkeit in dem neuen Geist des Papstamtes "endlich frei, unvoreingenommen und ergebnisoffen" auf breiter Front diskutiert wird.

Ergebnisoffene Diskussion über die "Unfehlbarkeitsproblematik"

Anfang März hatte Küng in einem offenen Brief an Papst Franziskus appelliert, einer ergebnisoffenen Diskussion über die "Unfehlbarkeitsproblematik" Raum zu geben. Das Erste Vatikanische Konzil hatte 1870 die Lehre von der Unfehlbarkeit des Kirchenoberhauptes verkündet. Das Dogma gilt als große Belastung für die Ökumene. Auch viele Katholiken empfinden diese Lehre als überholt und sehen Reformbedarf. Küng (88) zählt weltweit zu den profiliertesten christlichen Theologen der Gegenwart. 1979 entzog Rom dem Papst- und Kirchenkritiker die Lehrerlaubnis.

Wie Küng jetzt erklärte, hat Papst Franziskus ihm geantwortet und "meinem Wunsch entsprochen, einer freien Diskussion des Dogmas der Unfehlbarkeit Raum zu geben". Diesen neuen Freiraum, so Küngs Folgerung, "gilt es zu nutzen, um die Klärung der in katholischer Kirche und Ökumene umstrittenen dogmatischen Festlegungen voranzutreiben", heißt es in der dem epd vorliegenden Mitteilung, über die die "Süddeutsche Zeitung" am 27. April berichtete. Küng schreibt: "Einschränkungen macht Papst Franziskus keine."

"Er geht damit einen synodalen Weg"

Der Ökumene-Experte Metzger erklärte dazu, sofern in dem Papstbrief mehr als die freundliche Antwort an einen prominenten Theologen zu erkennen sei, sei "positiv zu bemerken, dass hier der 'jesuitisch-franziskanische' Stil des Papstes aufscheint". Der Papst lasse sich beraten, "fordert und fördert den offenen Dialog". Dazu höre er sich "durchaus auch kritische Stimmen" an und entscheide dann. "Er geht damit einen synodalen Weg. Dies hat er in Sachen Familienpastoral so gemacht und das scheint auch seine Zukunftsvision für die katholische Kirche zu sein. Dieser Führungsstil bildet vielleicht auch den Hintergrund der Antwort an Küng", sagte Metzger.

Der evangelische Ökumene-Experte fragt aber auch, was es bedeuten solle, "wenn ein Dogma, also ein von Gott offenbarter und von der Kirche mit lehramtlicher Autorität verkündigter Glaubenssatz, neu diskutiert wird". Ein Dogma zu revidieren, würde bedeuten, die Fragen nach der Kontinuität im Glauben zu stellen. "Hat die Kirche damals geirrt oder irrt sie heute? Aber die Kirche kann in ihrer Gesamtheit laut katholischer Lehre doch gar nicht irren!", so Metzger. "Der Brief an Hans Küng scheint demnach wirklich nur einen Freiraum zu eröffnen, in dem neu diskutiert werden darf. Immerhin! Und traurig genug, dass man offensichtlich schon dankbar sein muss, wenn diskutiert werden darf."

Stephan Cezanne (epd)