Trauer um einen Weltbürger – Staatsakt für den verstorbenen Bremer Altbürgermeister Hans Koschnick

Bremen (epd). Auf den Altarstufen ein Blütenmeer in rot-weiß, den Bremer Farben. Darüber ein großes Foto von Hans Koschnick (SPD), der mit gelassener Zuversicht in die Kamera blickt. Mit diesem letzten Eindruck vor Augen erinnerten Weggefährten und Freunde am Mittwoch bei einer Gedenkfeier mit Staatsakt im Bremer St.-Petri-Dom an den verstorbenen ehemaligen Bremer Regierungschef, der zugleich Lokalpatriot und überzeugter Europäer war. Immer wieder fallen dabei vier Worte: Freund, Brückenbauer, Vermittler und Friedensstifter.

Dienen im Gespräch

Darauf verwies auch der leitende Bremer Theologe und Friedensbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Renke Brahms. Er war es auch, der während des Gedenkens im Beisein von Koschnicks Familie und Bundespräsident Joachim Gauck als Erster auf Koschnicks besondere Gabe zu sprechen kam: "Seine Art des Dienens war vor allem das Gespräch, die Begegnung, die Tat."

Koschnick war am 21. April im Alter von 87 Jahren in seiner Heimatstadt Bremen gestorben. Nun, beim offiziellen Abschied in Bremens größter Kirche, sprach Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) von einem "nahbaren Menschen, leidenschaftlichen Patrioten, Weltbürger und einer sozialdemokratischen Legende". Und anders formuliert: "Ein sozialer und ein überzeugter Demokrat".

Vor der Gedenkfeier reihten sich Prominente und Weggefährten in eine lange Schlange ein, um sich zu verabschieden. Unter ihnen waren Koschnicks Nachfolger im Amt, Klaus Wedemeier, Henning Scherf und Jens Böhrnsen. Vor dem Rathaus vis-à-vis vom Domportal hingen die Bremer Landesflagge, Deutschlands Farben und die Sterne der Europäischen Union auf Halbmast. Koschnick habe viel für die Stadt getan, sagte einer der Zaungäste, die unter strahlend-blauem Himmel die Ankunft der etwa 700 geladenen Gäste verfolgten.

Koschnick war von 1967 bis 1985 Chef der Bremer Landesregierung. Als SPD-Politiker baute er an der Seite von Willy Brandt Brücken zu Israel und Polen. So unterschrieb er am 12. April 1976 in Danzig die erste westdeutsch-polnische Städtepartnerschaft. Ein Schritt, der damals hoch umstritten war, den Koschnick aber mit festem Willen und Geradlinigkeit umsetzte und für den Danzig dem Bremer später die Ehrenbürgerschaft verlieh.

"Leidenschaftlicher Verfechter der Versöhnung"

"Hans Koschnick gehörte zu der Generation politischer Giganten, Persönlichkeiten von Format, von denen es um uns herum heute immer weniger gibt", sagte Danzigs Stadtpräsident Pawel Adamowicz während des Staatsaktes. Und Polens ehemaliger Botschafter in Deutschland, Janusz Reiter, sprach von einem, "leidenschaftlichen Verfechter der Versöhnung". Mit den Idealen von Frieden und Freiheit habe er eine "Verantwortungspolitik" betrieben, mit der er den Teufelskreis von Misstrauen, Ablehnung und Vergeltung durchbrochen habe.

So auch auf dem Balkan, wo er einige Jahre nach seiner Zeit als Bremer Bürgermeister als EU-Administrator den Wiederaufbau in Mostar lenkte. "Seine Hilfe war unermesslich", schrieb der ehemalige Bürgermeister von Mostar, Safet Orucevic, in einem emotionalen Grußwort. "50 Jahre, nachdem die Antifaschisten am 14. Februar 1945 die Stadt Mostar von den Nazis befreiten, schaffte es ein Deutscher, die Herzen von uns Mostari zu erobern."

"Wo Gespräche sind, wird nicht geschossen", zitierte Ex-Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU) den Mann, der im Arbeitermilieu nahe der bremischen Häfen aufgewachsen war. In diesen Gesprächen habe er unbequeme Wahrheiten nicht verschwiegen, ergänzte Süssmuth und bezog sich damit auch auf den Moment, als er 1983 der Belegschaft der insolventen AG Weser unter Tränen das Ende der Großwerft verkünden musste.

Klarheit und Wahrheit gehörten zum politischen Vermächtnis des Bremers, betonte Süssmuth, die den Glauben als Kraftquelle für Koschnick benannte. Er habe nie von seinem Gott gelassen. Das sollte bis in die letzten Stunden so bleiben. Auf die Frage, wie er sterben wolle, hatte Hans Koschnick schon im Februar 1995 in einem Gespräch mit dem Magazin der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" zu Protokoll gegeben: "In Gottvertrauen."

Dieter Sell und Jörg Nielsen (epd)

4. Mai 2016