Mutiger Protest gegen Hitler

Frankfurt a.M. (epd). Die Anfang Juni 1936 an Adolf Hitler übergebene Denkschrift des radikalen Flügels der Bekennenden Kirche gilt als eines der großen Dokumente des gewaltlosen Widerstandes im NS-Staat. In deutlichen Worten wird darin gegen Antisemitismus, die Existenz von Konzentrationslagern, die Abschaffung des Rechtsstaates und die Willkür der Geheimen Staatspolizei Stellung bezogen.

In der Denkschrift wagten es die Leiter der Bekennenden Kirche über den kirchlichen Bereich hinaus auch Kritik an der gesellschaftlichen Entwicklung im NS-Staat zu üben, erklärt die Forschungsstelle für kirchliche Zeitgeschichte in München auf ihrem Internet-Portal (evangelischer-widerstand.de). Es gebe keinen anderen Protest aus der Leitungsebene der evangelischen Kirche, in dem so deutlich Stellung bezogen wurde.

Massive Folgen für Aktivisten

In dem Anfang Juni – im Vorfeld der Olympischen Spiele von 1936 in Berlin – in Hitlers Amtssitz in der Wilhelmstraße abgegebenem Schriftstück kritisieren die Verfasser laufende Eingriffe des Staates in das innere Gefüge der Kirche. Beklagt wird unter anderem eine Entchristlichung des öffentlichen Lebens. "Wenn hier Blut, Volkstum, Rasse und Ehre den Rang von Ewigkeitswerten erhalten, wird der evangelische Christ durch das erste Gebot gezwungen, diese Bewertung abzulehnen", heißt es in der Denkschrift: "Wenn der arische Mensch verherrlicht wird, so bezeugt Gottes Wort die Sündhaftigkeit aller Menschen, wenn dem Christen im Rahmen der nationalsozialistischen Weltanschauung ein Antisemitismus aufgedrängt wird, der zum Judenhaß verpflichtet, so steht für ihn dagegen das christliche Gebot der Nächstenliebe."

Die Schrift war ursprünglich als vertrauliche Eingabe an Hitler geplant. Sie erschien jedoch in den "Basler Nachrichten" und wenig später übersetzt in der "New York Herald Tribune". Ein massives Vorgehen gegen Angehörige der Bekennenden Kirche war die Folge. Anfang Oktober 1936 verhaftete die Gestapo unter anderem deren Büroleiter Friedrich Weißler, einen Juristen jüdischer Herkunft. Im Februar 1937 wurde er im Konzentrationslager Sachsenhausen ermordet. Er gilt seither als "erster Märtyrer der Bekennenden Kirche".

Auch heute Zivilcourage zeigen

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, erklärte dazu: "Die Denkschrift der Vorläufigen Kirchenleitung ist ein Dokument des mutigen Eintretens für Humanität gegenüber dem nationalsozialistischen System der Unmenschlichkeit." Dass die Inhalte der Denkschrift vor 80 Jahren auf vielen Kanzeln in Deutschland verlesen worden seien, gehöre "zu den öffentlichen Äußerungen der evangelischen Kirche, die dem Nationalsozialismus mutig die Stirn geboten haben".

Für heute ergebe sich daraus die Verpflichtung, "Zivilcourage zu zeigen, wo die Würde des Menschen durch staatliches Handeln oder durch Hetze gegen Minderheiten infrage gestellt wird. Die Kirche trägt auch in unserer Demokratie weiterhin die Verantwortung, durch ihr zivilgesellschaftliches Engagement dazu beizutragen, dass der in der Verfassung verankerte Schutz der Menschenwürde auch wirklich zum Leitprinzip politischen Handelns wird", fügte Bedford-Strohm hinzu, der auch bayerischer Landesbischof ist.

6. Juni 2016