Kirchen werben für die Verständigung mit Russland

Das Verhältnis zwischen Russland und dem Westen ist seit der Krim-Annektion angespannt. 75 Jahre nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion rufen Kirchenvertreter zur Verständigung auf und verweisen auf Deutschlands historische Verantwortung.

Bonn/Düsseldorf (epd). Zum 75. Jahrestag des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion haben Kirchenvertreter zu Dialog und Ausgleich mit Russland aufgerufen. "Die Bundesregierung sollte das Gespräch mit Russland suchen und helfen, dass Feinbilder wieder abgebaut werden", erklärte der
Friedensbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Renke Brahms, in Bonn. Deutschland stehe aus historischen Gründen in einer besonderen Verantwortung. DerOberkirchenrat der Evangelischen Kirche im Rheinland, Klaus Eberl sprach sich angesichts der politischen Spannungen zwischen Russland und dem Westen für eine Stärkung des zivilgesellschaftlichen Engagements aus. Am 22. Juni 1941 hatte die deutsche Wehrmacht die Sowjetunion überfallen.

Beunruhigende Zeichen

Der evangelische Friedensbeauftragte Brahms erklärte, er beobachte die aktuellen Beziehungen zwischen Russland und den Nato-Staaten mit Sorge. Der Ukraine-Konflikt und die zunehmende Zahl der Manöver von beiden Seiten seien beunruhigende Zeichen. "Es darf nicht sein, dass eine nach dem Ende des Kalten
Krieges überwunden geglaubte Konfrontation in Europa wieder aufbricht", warnte Brahms.

Der rheinische Oberkirchenrat Eberl forderte, vor allem nichtstaatliche Projekte zum Austausch mit Russland zu fördern. Dies sei gerade deshalb nötig, weil die Politik seit der Krim-Annexion ratlos sei, wie sie mit der russischen Regierung umgehen solle, sagte Eberl dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Für eine dauerhafte Friedensordnung brauchen wir gute Beziehungen zu Russland."

Eberl, der in der rheinischen Kirchenleitung die Bildungsabteilung leitet, reist am 22. Juni aus Anlass des Jahrestags zu einer viertägigen Reise ins russische Pskow. Die Stadt war Hauptquartier der Wehrmacht für die Belagerung Leningrads und hatte besonders unter den Besatzern zu leiden.

"Die Bedeutung dieser Partnerschaft kann nicht überschätzt werden"

"Die Bedeutung dieser Partnerschaft kann nicht überschätzt werden", betonte Eberl. Aus einer ersten Versöhnungsreise rheinischer Christen nach Pskow 1991 zum 50. Jahrestag habe sich in der Stadt ein bespielloses soziales Engagement der Kirche vor allem in der Behindertenarbeit entwickelt.

Für eine gemeinsame deutsch-russische Erinnerungskultur warb das Internationale Bildungs- und Begegnungswerk (IBB) Dortmund. "Nur wenn wir gemeinsam trauern und wissen, was geschehen ist, können wir eine Friedensordnung aufbauen", sagte IBB-Geschäftsführer Peter Junge-Wentrup dem epd. Aktuell werde in den ehemaligen Sowjet-Staaten vor allem des Sieges über Nazi-Deutschland gedacht,
während Deutschland vor allem an die Opfer und weniger an die Täter aus dem eigenen Volk erinnere. "Daraus muss aber gemeinsame Erinnerung entwickelt werden, damit in Europa das Wort 'Krieg' keine Chance mehr hat", forderte Junge-Wentrup.

20. Juni 2016