Erinnerung an Versöhnung von Tschechen und Deutschen

An die Kundgebung der Synode der EKD vor 20 Jahren zum Verhältnis von Tschechen und Deutschen  erinnerten Oberkirchenrat Dirk Stelter (EKD) und Kirchenrat Gerhard Frey-Reininghaus (Evangelische Kirche der Böhmischen Brüder – EKBB) auf der Internationalen Konferenz “Exulanten, Vertriebene und Flüchtlinge“ in Litomyšl (Tschechische Republik). Mit der Kundgebung hatte die EKD-Synode 1996 auf die Erklärung der Synode der EKBB zur Aussiedlung der Sudetendeutschen aus der Tschechoslowakei nach dem  Zweiten Weltkrieg geantwortet.
 

Den Kreislauf gegenseitiger Schuldzuweisung aufbrechen

Die EKBB wollte damals den Kreislauf gegenseitiger Schuldzuweisung aufbrechen, um einen neuen Anfang im Verhältnis von Tschechen und Deutschen zu ermöglichen. Sie stellte fest, dass es neben der deutschen Schuld bei der Zerstörung der deutsch-tschechischen Beziehungen auch auf tschechischer Seite zu Verschuldungen nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gekommen ist.

Die Erklärung betont: "Die radikale und scheinbar endgültige Lösung des Problems des Verhältnisses der Tschechen zu den Deutschen in den böhmischen Ländern durch ihre kollektive Aussiedlung nach dem Zweiten Weltkrieg erscheint uns, trotz alles vorangegangenen Unrechts, als moralisch verfehlter Schritt." Sie plädiert für eine sehr differenzierte Auseinandersetzung mit den Traumata der Vergangenheit und setzt auf "aufrichtige Reue, gegenseitiges Bemühen um Verständnis und die Sehnsucht nach Versöhnung".

Gemeinsame Aufarbeitung

Die EKD antwortete mit einem Dank an die EKBB für die ausgestreckte Hand zur Versöhnung und bekennt sich zur deutschen Schuld, für die sie um Vergebung bittet. "Mit Ehrfurcht und Ernst vor Gott suchen wir Vergebung dieser Schuld", heißt es im Text der EKD-Synode. "Wir bitten unsere tschechischen Schwestern und Brüder um Vergebung und gewähren, soweit es uns zukommt, ebenfalls Vergebung."

Daraufhin setzten EKD und EKBB im Dezember 1996 eine Arbeitsgruppe ein, die diese besonders schwierige Phasen in der deutsch-tschechischen Geschichte aufarbeitete. Die Ergebnisse sind in der 1998 auf Deutsch und Tschechisch erschienenen Publikation "Der trennende Zaun ist abgebrochen" zusammengefasst. Beleuchtet werden die Rolle der Deutsch-Böhmen bei der Gründung der Tschechoslowakei 1918, die Annexion der Sudetengebiete und die Zerschlagung der Tschechoslowakei 1938/39, sowie die Vertreibung und Aussiedlung der Sudetendeutschen nach Kriegsende. Zudem werden tschechische und deutsche Versöhnungsinitiativen vorgestellt – etwa in Lidice, einem Ort, der von den Deutschen 1942 zerstört worden war. Schließlich enthält das Buch Material für tschechisch-deutsche Gottesdienste, das bis heute gerne verwendet wird.

Verständnis für Flüchtlinge heute

Die Konferenz “Exulanten, Vertriebene und Flüchtlinge“, für die der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm die Schirmherrschaft übernommen hatte, wurde vom Verein Exulant veranstaltet. In ihm haben sich Nachfahren von Glaubensflüchtlingen aus dem Gebiet der heutigen Tschechischen Republik zusammengeschlossen, um das Wissen über diese Geschichte wach zu halten, das heute auch für ein tieferes Verständnis der Flüchtlinge sensibel machen kann.

So berichtete eine Gruppe von christlichen Flüchtlingen aus Burma, die seit 2008 in der Tschechischen Republik lebt, über ihre derzeitige Situation: Sie hätten in Tschechien von Christen viel Hilfe empfangen. Trotzdem sei das Leben vor allem für die Älteren sehr schwer, die Jüngeren hingegen fänden sich in der neuen Heimat wesentlich besser zurecht. Dirk Stelter sprach über die aktuelle Situation der Flüchtlinge in Deutschland und das Engagement der EKD in der Flüchtlingshilfe.

"Interkulturalität gehört zur DNA der Kirche"

Die Konferenz schloss mit einem ökumenischen Gottesdienst in der Kirche der Auffindung des Heiligen Kreuzes, an dem Geistliche aus der EKBB, der römisch-katholischen Kirche, der Brüderkirche, der Baptisten und der Tschechoslowakischen Hussitischen Kirche teilnahmen. In seiner Predigt erinnerte Stelter daran, dass gemäß Apostelgeschichte 13 zwei Afrikaner und ein Asiat in der asiatischen Stadt Antiochia den Apostel Paulus zur Verkündigung des Evangeliums auf eine Reise sandten, die ihn schließlich auch nach Europa führte.

"Interkulturalität gehört zur DNA der Kirche", betonte er. Ohne sie hätte das Christentum gar nicht von Jerusalem nach Mitteleuropa gelangen können. Das schließe gleichzeitig die Verpflichtung ein, Christen aus anderen Ländern als Geschwister im Glauben offen zu begegnen. Die Kollekte im Gottesdienst wurde für die Flüchtlingshilfe der EKD gesammelt.

Dirk Stelter (EKD)

25. Oktober 2016


Die beiden erwähnten Texte – die Erklärung der Synode der EKBB und die Kundgebung der Synode der EKD von 1996 – sind zusammen mit anderen Beiträgen zum Thema gebündelt in "Versöhnung zwischen Tschechen und Deutschen. Ein Beitrag der EKD. EKD-Texte 60, 1997“. Der Text kann im EKD-Kirchenamt telefonisch unter 0511/2796-460 oder per Mail unter versand@ekd.de bestellt werden.