Katholiken im Vatikan sehen unterschiedliche Fortschritte in der Ökumene

Rom (epd). Papst Franziskus setzt auf Ökumene: Am 31. Oktober will er im schwedischen Lund mit den Spitzen des Lutherischen Weltbundes einen Gottesdienst zum Beginn des 500. Reformationsjubiläums feiern und ein "Gemeinsames Wort" unterschreiben. Für den Präfekten seiner vatikanischen Glaubenskongregation hingegen, dem Hüter der Lehre, gibt es am Reformationstag für Katholiken nichts zu feiern: Kurienkardinal Gerhard Ludwig Müller betont eher die Unterschiede. Die Ökumene-Verantwortlichen des Vatikans wiederum werden nicht müde, dem Eindruck von einer Eiszeit in der Ökumene zu widersprechen.

Das "Glas ist halbvoll"

So betont der Ökumene-Beauftragte des Papstes, der Schweizer Kardinal Kurt Koch: Das "Glas ist halbvoll". Die besonders von deutschen Lutheranern geforderten gemeinsamen Abendmahlsfeiern sieht er als Ziel, nicht als Mittel auf dem Weg zur Einheit. Zuvor müssten wichtige Fragen zu Kirche, Eucharistie und Amt geklärt und eine neue gemeinsame Erklärung angestrebt werden, sagte er kürzlich in einem Interview der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Vorbild dabei könne die "hilfreiche 'Declaration on the Way'" von Lutheranern und Katholiken in den USA sein.

Und Papst Franziskus betont immer wieder, "dass wir – über viele offene Fragen hinaus, die uns noch trennen – schon eins sind". Ein offenerer Umgang mit den Kirchen der Reformation herrscht im Vatikan nicht erst seit der Wahl eines Papstes aus Argentinien. Papst Benedikt XVI. förderte wegen der liturgischen Übereinstimmungen zwar vor allem die Ökumene mit den Orthodoxen. Aber auch er würdigte wiederholt den Reformator Martin Luther, an dessen legendären Thesenanschlag Franziskus nun mit der Spitze des Lutherischen Weltbundes an dessen Gründungssort Lund erinnern will.

Katholiken könnten viel von Luther lernen

Ein Papstbesuch in Deutschland würde den Rahmen der Gedenkfeiern 500 Jahre nach dem Beginn der Reformation sprengen. Daher entschieden beide Seiten sich für eine gemeinsame Feier in Lund, wo 1947 der Lutherische Weltbund gegründet wurde.

Benedikt bewunderte Luthers Suche nach einem gnädigen Gott als "tiefe Leidenschaft und Triebfeder seines Lebens und seines ganzen Weges". Sein Vorgänger Johannes Paul II. hatte betont, dass die Katholiken viel von Luther lernen könnten. Als Präfekt der vatikanischen Glaubenskongregation hatte der spätere Papst Benedikt jedoch im Jahr 2000 im Dokument "Dominus Iesus" den Protestanten den Kirchenstatus abgesprochen. Ein Jahr zuvor, am 31. Oktober 1999, hatten der Lutherische Weltbund und der Päpstliche Rat zur Förderung der Einheit der Christen noch die "Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre" unterzeichnet und ihre gegenseitigen Lehrverurteilungen aus der Zeit der Reformation aufgehoben.

50 Jahre katholisch-lutherische Ökumene

Aus vatikanischer Sicht stehen daher bei den gemeinsamen Feiern zwei unterschiedliche Aspekte im Vordergrund. Neben dem Gedenken an den Beginn der lutherischen Reformation vor 500 Jahren geht es für den Vatikan um Dank für 50 Jahre katholisch-lutherische Ökumene. Die lutherischen Kirchen seien nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil Mitte der 60er Jahre die ersten gewesen, mit denen Rom den Dialog aufnahm, betonte Kardinal Koch im Vorfeld der Reise.

Während Koch als Präsident des päpstlichen Einheitsrats bemüht ist, die Erwartungen an eine rasche Annäherung zu bremsen, betont der Sekretär und zweite Mann der Vatikanbehörde das Ausmaß der bestehenden Einigkeit. "Viele Kritikpunkte und Vorschläge von Luther waren nötig", sagt der irische Bischof Brian Farrell. "Denn die Kirche war damals reformbedürftig." Luther habe ursprünglich keine neue Kirche gründen wollen, sondern einem "verbreiteten und vielfältigen Wunsch nach Reform" Ausdruck verliehen.

Papst Franziskus schenkte der lutherischen Gemeinde in Rom einen Abendmahlskelch. Und er legte dort die Entscheidung über die Frage, ob ein evangelisch-katholisches Paar zusammen Kommunion feiern könne, ins Ermessen der Betroffenen. Für Kardinal Koch aber ändert das nichts an der bindenden Lehre. Kelche schenke der Papst auch den Orthodoxen, mit denen er ebenso wenig die Eucharistie feiere, sagte er.

28. Oktober 2016