Tagung beleuchtet katholisches Lutherbild

Rom (epd). Martin Luther wurde früher im katholischen Umfeld noch mit dem Teufel gleichgesetzt, erinnert sich der ehemalige "Ökumeneminister" des Vatikan, Kardinal Walter Kasper, an seine Jugend. Und der katholische Ökumene-Experte Wolfgang Thönissen räumt ein: "In katholischen Kreisen ohne ökumenische Erfahrung ist das noch heute so." Der Professor für ökumenische Theologie und Luther-Spezialist sieht jedoch große Fortschritte beim Dialog zwischen Katholiken und Lutheranern, die zu einem realistischeren Bild der jeweils anderen Konfession geführt hätten.

Zeichen dieses Fortschritts ist eine Tagung über Luther und die Sakramente, die Thönissen als Leiter des Paderborner Johann-Adam-Möhler-Instituts für Ökumenik an der päpstlichen Universität Gregoriana veranstaltet. Thönissen erinnerte Kaspers Nachfolger an der Spitze des päpstlichen Einheitsrats, Kardinal Kurt Koch, an den Wandel im gegenseitigen Verständnis zwischen Protestanten und Katholiken. Das habe der vor rund 50 Jahren begonnene offizielle Dialog seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil bewirkt.

Suche nach authentischer Form

Beide Seiten seien sich heute einig, dass Luther keine Kirchenspaltung und Gründung einer neuen Kirche angestrebt habe. Vielmehr habe er die Kirche von innen heraus reformieren wollen.

Luthers Reformbestrebungen seien vor dem Hintergrund von Reformanstrengungen der katholischen Kirche im 16. Jahrhundert etwa in Spanien zu sehen, gibt der aus der Schweiz stammende Kurienkardinal Koch zu bedenken. Bei den Bischöfen und beim Papst sei Luther jedoch nicht auf offene Ohren gestoßen. Die damalige katholische Kirche trage "große Mitschuld", dass aus der ursprünglichen Reform der Kirche eine die Kirche spaltende Reformation geworden sei, betonte Koch bei einem Vortrag über Luther und die Sakramente.

Die katholische Kirche ist nach den Worten des Präsidenten des päpstlichen Einheitsrats beständig reformbedürftig, da sie durch geschichtliche Entwicklungen "aus der Form geraten ist". Demnach muss es darum gehen, ihre ursprüngliche und authentische Form wieder zu finden. Auch dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-65) sei es als Reformkonzil darum gegangen, dem Wort Gottes wieder jene Zentralität zuzuweisen, die ihm im Leben und in der Sendung der Kirche zukomme.

Müller würdigt Luther

Der Organisator der Tagung ist seinerseits überzeugt, dass die Diskussion um Luthers Katholizität einen Ansatz für Einheitsbestrebungen bildet. Der Reformator sei "draußen und doch drinnen", fasst Thönissen die Debatte um Luthers Position in der katholischen Kirche zusammen. Allerdings beklagt der Ökumene-Experte mangelndes Interesse unter katholischen und unter protestantischen Theologen für den Dialog.

Auch Kardinal Gerhard Ludwig Müller wird bei der Luther-Tagung als Präfekt der vatikanischen Glaubenskongregation einen Vortrag über "Kirche als Ort der Rechtfertigung" halten. Der oberste Glaubenshüter gilt als konservativ. Bereits seit seiner Doktorarbeit über den lutherischen Theologen und Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer beschäftigt sich Müller mit der Reformation. Für den deutschen Kardinal ist die Tatsache, dass Luther und Bonhoeffer Christus in den Mittelpunkt ihrer religiösen Überzeugungen stellten, eine wesentliche Übereinstimmung mit der katholischen Glaubenslehre.

Bereits der damalige Papst Benedikt XVI. hatte 2011 bei seinem Besuch im Erfurter Augustinerkloster – einem der Hauptorte von Luthers Wirken – für viele überraschend die Theologie des Reformators gewürdigt. Sein Nachfolger Franziskus beging den Auftakt des 500. Reformationsjubiläums im vergangenen Herbst gemeinsam mit der Spitze des Lutherischen Weltbundes im schwedischen Lund.

28. Februar 2017