Verbände kritisieren Sterbehilfe-Urteil

Frankfurt a.M. (epd). Die Deutsche Stiftung Patientenschutz hat ihre Kritik am Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zur Sterbehilfe bekräftigt. Die Bundesrichter hätten damit den Staat verpflichtet, in bestimmten Fällen "die Selbsttötung für Bürger zu organisieren", sagte der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, in MDR Aktuell. Aber "was objektives Leiden ist, wie das zu messen ist, wie das allgemeingültig zu definieren ist für Juristen, das hat das Bundesverwaltungsgericht nicht gesagt".

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hatte am 2. März entschieden, dass in Extremfällen schwer und unheilbar kranken Patienten der Zugang zu einem Betäubungsmittel nicht verwehrt werden könne, das eine schmerzlose Selbsttötung ermöglicht. Das gelte, "wenn sie wegen ihrer unerträglichen Leidenssituation frei und ernsthaft entschieden haben, ihr Leben beenden zu wollen, und ihnen keine zumutbare Alternative – etwa durch einen palliativmedizinisch begleiteten Behandlungsabbruch – zur Verfügung steht", hieß es in der Pressemiteilung des Gerichts. Die Richter begründeten ihr Urteil mit Hinweis auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht in Artikel 2 des Grundgesetzes (BVerwG 3 C 19.15).

Brysch betonte, dass sich Leiden nicht allgemeingültig und juristisch klar definieren lasse." Er kritisierte die Gerichtsentscheidung als "praxisfern", die "zutiefst betroffen" mache.

Verbesserung der palliativmedizinischen Versorgung

Auch die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP) kritisierte das Urteil. Es lasse viele Fragen offen, zum Beispiel die, wer beurteilen solle, ob die Leidenssituation unerträglich und ob die Betroffenen ihre Entscheidung frei und ernsthaft getroffen hätten, erklärte der Verein am Freitag.

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) will zu dem Fall erst dann Stellung nehmen, wenn der Text des Urteils vorliegt. Generell wies eine Sprecherin darauf hin, dass die evangelische Kirche das menschliche Lebens als Gabe Gottes betrachte, das auch bei starken Einschränkungen und Leiden seine Würde nicht verliere. Wichtig sei zudem, die palliativmedizinische Versorgung von schwer kranken und sterbenden Menschen zu verbessern. Auch die Kirche stehe vor der Herausforderung, die "Seelsorge an Schwerkranken und Sterbenden zu verstärken".

Im konkreten Fall war die Ehefrau des Klägers seit einem Unfall im Jahr 2002 vom Hals abwärts gelähmt, musste künstlich beatmet werden und war auf ständige medizinische Betreuung und Pflege angewiesen. Wegen dieser von ihr als unerträglich und entwürdigend empfundenen Leidenssituation hatte sie im November 2004 beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte die Erlaubnis zum Erwerb einer tödlichen Dosis eines Betäubungsmittels beantragt. Das Bundesinstitut lehnte dies unter Hinweis auf den Zweck des Betäubungsmittelgesetzes ab. Im Februar 2005 reisten der Kläger und seine Frau den Angaben des Gerichts zufolge schließlich in die Schweiz, wo sich die Frau mit Unterstützung eines Vereins für Sterbehilfe das Leben nahm.

3. März 2017