Huber: Mitbestimmung ist tragendes Konzept der sozialen Marktwirtschaft

Festvortrag zu sozialer Gerechtigkeit im Wandel der Geschichte

Die Mitbestimmung der Arbeitnehmer sei eines der tragenden Konzepte der sozialen Marktwirtschaft. Darauf hat der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, in einem Vortrag zum Thema "Soziale Gerechtigkeit im Wandel der Geschichte" in Düsseldorf am Mittwoch, den 17. November, hingewiesen. Anlässlich des 100. Geburtstages des Sozialethikers Friedrich Karrenberg und des 50jährigen Jubiläums der ersten Auflage des Evangelischen Soziallexikons betonte Huber, dass die Mitbestimmung und die Vermögensbeteiligung der Arbeitnehmer zu den "ordnungspolitischen Grundoptionen des Protestantismus" zählten.

Evangelische Sozialethik bemühe sich um eine Gesellschaftsordnung, "welche die Persönlichkeitswürde des Einzelnen respektiere, dabei durch eine gestaltete Wettbewerbsordnung für eine effiziente Wirtschaft sorgt und gleichzeitig durch eine stabile Sozialordnung sozialen Frieden gewährleistet", so Huber im Landeskirchenamt der Evangelischen Kirche im Rheinland. Sowohl das Gemeinsame Wort der evangelischen und der katholischen Kirche zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in Deutschland von 1997 als auch die aktuellen Stellungnahmen zu den Sozialreformen dieses Jahres betonten zugleich die Notwendigkeit wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit und die sozialpolitische Sorge um Gerechtigkeit. "Dieser Grundgedanke wird auch in Zukunft leitend sein."

Das Wirtschafts- und Gesellschaftssystem der Moderne sorge nicht "von sich aus" für die Realisierung von Wertvorstellungen, sondern sei "um die Besorgung von Interessen herum aufgebaut", sagte Huber.  Die moderne Wirtschaft "mit ihrer Fixierung auf Eigeninteresse, Kapital und Wettbewerb" werde von kirchlicher Seite kritisch begleitet und immer wieder angefragt. Die Aussage, dass Eigeninteresse dem Wohl des Gemeinwesens am besten diene, sei von den Vertretern des Sozialen Protestantismus immer wieder kritisiert worden. Das Umgekehrte sei richtig: "Wer nicht primär für sich lebt, sondern für andere, für die Gemeinschaft, der sorgt auch am besten für sich." Eigennutz sei zwar ein Motivationsfaktor, der wahrzunehmen und ethisch zu akzeptieren sei, zugleich bleibe aber die Notwendigkeit, "diesen Faktor an den Maßstäben von Gerechtigkeit und Solidarität zu messen".

Die Handlungsoptionen des Sozialen Protestantismus schlössen die Ablehnung von "Gewinn ohne Leistung, Spekulationen, hohen Managergehälter" ein. Gesellschaftliche Ungleichheit dürfe nur so groß sein, dass ihre Folgen den Schwächsten zugute kommen. Reichtum an sich habe keinen Wert.

Im Zeitalter der globalen Konkurrenz stelle sich die Frage, welche Spielräume für eine "sozial und kulturell eingebettete Wirtschaft" noch blieben. Er halte das Engagement für eine kinder- und familienfreundliche Gesellschaft für eine der dringlichsten Aufgaben der Zukunft, so Huber. Die Vereinbarkeit von Berufsarbeit und Familienarbeit bei Männern wie Frauen gehöre heute "zu den vorrangigen Zielen einer sozialethisch verantworteten Gestaltung der Arbeitswelt."

Hannover, 17. November 2004
Pressestelle der EKD
Silke Fauzi

Der Vortrag im Wortlaut