Eröffnung der Bonifatiusroute: Sehr gutes ökumenisches Zeichen

Apostel Deutschlands hat die Werte Europas grundgelegt

Es sei „ein sehr gutes ökumenisches Zeichen“, wenn der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, und der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Karl Kardinal Lehmann, die Bonifatiusroute gemeinsam eröffnen. Dies erklärt Wolfgang Huber in seinem Grußwort zur Eröffnung des Wander- und Pilgerweges, der geistlich anregen und zur Konzentration und Entdeckung einladender soll. Zusammen mit dem Ministerpräsidenten des Landes Rheinland-Pfalz, Kurt Beck, eröffneten die beiden Vorsitzenden in Mainz am Samstag, 10. Juli, die Bonifatiusroute. Anlässlich der Eröffnung hat der Ratsvorsitzende der EKD einen Festvortrag in der Mainzer St. Johanniskirche gehalten.

Der Pilgerweg erinnert an den Bonifatius genannten englischen Adligen Wynfreth, der um das Jahr 730 nach Christi Geburt die sicheren Klostermauern in England verließ, um auf dem Kontinent zu missionieren. Die, die sich auf den Pilgerweg machen, betreten eine kaum noch vorstellbare Welt, erinnerte der Ratsvorsitzende. Er beschrieb „die Welt voller Angst und kurzem Leben, voller bedrohlicher Willkür und vogelfreien Gegenden, voller Unbildung und heidnischen Mythen“. Keiner wolle auf Dauer mit dieser Welt tauschen, die immer wieder glorifiziert werde. Um zu zeigen, wie die Welt des Bonifatius war, erzählte Huber die Geschichte der Donarseiche, die Bonifatius gefällt hat.

Bonifatius steht für eine Wende und Neuorientierung in der Geschichte des Christentums, die angesichts des Untergangs des römischen Reichs nötig geworden sei und die dem Christentum eine unerhörte Zukunft eröffnete. Der Missionar Deutschlands habe beigetragen zu einer zukunftsfähigen Gestalt der Kirche. Es sei ihm, so der Ratsvorsitzende, ein Schritt in Richtung auf eine angstfreie Welt gelungen. Indem er die Menschen auf den christlichen Gott hingewiesen habe, habe er die „Befreiung von all den vielen Göttern, die das damalige Leben prägten, weil sie Anerkennung und Opfer von den Menschen einforderten,“ begonnen. Der „Apostel der Deutschen“ habe damit eine geistliche Wurzel für die Freiheit Europas gelegt. Es könne der Eindruck entstehen, bezog Huber die damalige Geschichte auf die heutige Situation, dass wir auch heute wieder so eine Befreiung von manchen dunklen Geistern und kleinen Göttern brauchen: „Was uns aus Fernsehen, Funk und Vorurteilen, aus Gesellschaft, Politik und Werbung entgegentritt, mitunter ängstigt und unsere Seele gefangen zu nehmen versucht, das verdient doch auch ein Stück christliche Glaubensaufklärung im Sinne des Missionars  Bonifatius.“

Huber wünsche sich manchen Bonifatius, der wie der Missionar mit seinen Klöstern konzentrierte geistliche Inseln gründe, von denen der christliche Geist neu in die Welt hinein ausstrahle. Doch aus protestantischer Sicht sei auch Kritisches zu Bonifatius zu sagen, erläuterte Huber: „Seine übertriebene, geradezu hörige Ausrichtung an Rom, seine zweifellos nicht sensibel zu nennende und von jedem Geist der Toleranz freie Umgangsweise mit den damaligen religiösen Überzeugungen, sein striktes Bekehrungsinteresse wie auch seine durchgängige (kirchen)-politische Machtklugheit sind dabei vor allem zu nennen.“ Ergänzend dazu stehe der Aufbruch der reformatorischen Bewegung.

So wie durch Bonifatius die „libertas christiana“ im Gegenüber zur Welt grundgelegt wurde, und durch die Reformation die Gewissensfreiheit des Einzelnen zu einem europäischen Grundwert wurde, so wurde durch die Französische Revolution die staatsbürgerliche Gleichheit festgelegt. Wer immer von Europa als Wertegemeinschaft spreche, werde gerade dies zu den Werten zählen, hinter die Europa nicht wieder zurückgehen könne, stellte Huber fest.

Hannover/Berlin, 10. Juli 2004

Pressestelle der EKD
Christof Vetter

Nachfolgend das Grußwort zur Eröffnung der Bonifatiusroute. Der Festvortrag im Wortlaut online.


Grußwort zur Eröffnung des Bonifatiuswegs

Am 10. Juli in Mainz

Wenn wir heute einen modernen Pilgerweg, die „Bonifatius-Route“, gemeinsam feierlich eröffnen, dann ist dies ein sehr gutes ökumenisches Zeichen. Bonifatius, der Apostel der Deutschen, stammt aus unserer gemeinsamen vorreformatorischen Zeit. Dieser Zeit verdanken wir ein großes gemeinsames Erbe. Wenn man genau hinschaut, dann stammen aus dieser Zeit ungleich mehr Gemeinsamkeiten auch und gerade in Glaubensfragen, als es Trennungen und Differenzen seither gegeben hat. Deswegen danke ich sehr für die Einladung, hier mitzuwirken.

Solch ein Wander- und Pilgerweg soll ein geistlich anregender, zu Konzentration und Entdeckung einladender Weg sein, der Körper und Geist zugleich anspricht. Pilgerndes Wandern oder wanderndes Pilgern ist auf seine Weise eine „Entdeckung der Langsamkeit“, die uns an die Maßstäbe erinnert, die uns Menschen gleichsam angeboren sind. Wer ausschreitet und sich seine Strecke erwandert, der kommt nicht nur bei einem Ziel an, sondern auch bei sich selbst; der Wanderweg ist innen und außen gleichermaßen. Deswegen ist es gut, wenn solch ein moderner Pilgerweg  markante Orte umschließt, die beide Seiten des Weges - innen und außen - orientieren und anregen. Sie können unterwegs, auf den Fluren und Straßen, plötzlich „Räume der Begegnung“ schaffen, Orte der Zentrierung eröffnen, uns Themen vorgeben, Fragen stellen, Erinnerungen hervorholen und Vergessenes freilegen. Pilgerwege sind in Schritte gefasste Meditationen und deswegen ein Segen für Leib und Seele.

Natürlich ist dieser moderne Pilgerweg ein gesitteter Weg geworden. Ihn zu beschreiten, wird hoffentlich ein geistliches Abenteuer sein; aber er wird, so hoffe ich, kein Lebensrisiko beinhalten, - wenn man sich denn halbwegs vor den Autos in Sicherheit zu bringen versteht. Früher jedoch in der Welt des Bonifatius waren Pilgerfahrten und Reisen immer mutige Unternehmungen; und wenn man das Reisen auch noch mit dem Aufsuchen fremder, heidnischer Stämme verband, um ihnen vom Glauben an den Herrn Jesus Christus zu erzählen, dann wurde aus dem mutigen ein todesmutiges Vorhaben, wie sich denn auch am Lebensende des Bonifatius zeigt. Und dennoch: wir alle und eben auch dieser moderne Pilgerweg leben von diesen ersten Zeugen, den mutigen iroschottischen Mönchen zumal, die ihre Insel, ihre Sicherheiten, ihre Heimat verließen, um fremden Menschen auf dem Kontinent Licht und Wahrheit des christlichen Gottes zu bringen. Auch wenn wir heute Bedenken haben im Blick auf die gewählten Methoden, leben wir doch von diesen ersten Pilgern Europas, die von Mut geprägt waren und von Glaubenszuversicht. Denn auf vergleichbaren Mut und vergleichbare Glaubenszuversicht werden wir Menschen des 21. Jahrhunderts neu angewiesen sein.  Deshalb möchte ich diesen modernen Pilgerweg unter einen Segen stellen, der aus dem Umfeld der iroschottischen Frömmigkeit stammt. So will ich die Hoffnung dieses Tages und die Erinnerung an die Anfänge miteinander verbinden.

Gott möge seinen Frieden legen auf diesen Weg,
er möge die Menschen berühren mit seinem Geist,
er möge alle trösten, die Kummer mit sich tragen,
die Fröhlichen möge er dankbar machen
und die Liebenden leuchtend.
Der Herr sei vor allen,
um ihnen den rechten Weg zu zeigen,
der Herr sei neben allen,
um sie zu schützen,
der Herr sei hinter ihnen,
um sie zu bewahren;
der Herr sei unter ihnen,
um sie aufzufangen, wenn sie fallen,
der Herr sei über ihnen, um sie zu segnen.
So segne der dreieinige Gott alle,
die diesen Weg beschreiten – der Vater, der Sohn und der heilige Geist.

Amen.