Organtransplantationen

Erklärung des Vizepräsidenten des Kirchenamtes der Evangelischen Kirche in Deutschland, Dr. Hermann Barth, zu dem vom Deutschen Bundestag verabschiedeten Transplantationsgesetz, 2000

Organtransplantationen

Erklärung des Vizepräsidenten des Kirchenamtes der Evangelischen Kirche in Deutschland, Dr. Hermann Barth, zu dem vom Deutschen Bundestag verabschiedeten Transplantationsgesetz, 2000

Eine Stellungnahme zu dem vom Deutschen Bundestag verabschiedeten Transplantationsgesetz muß bestimmt sein von der Achtung vor abweichenden Überzeugungen und unterlegenen Vorschlägen. Weil es um Fragen von Leben und Tod und um den Schutz der Würde des Menschen geht, ist mit besonderer Leidenschaft und Ernsthaftigkeit gestritten worden. Daß sich der Deutsche Bundestag dafür Zeit gelassen und daß er fraktionsübergreifend der persönlichen Entscheidung Raum gegeben hat, ehrt ihn. Auch in der evangelischen Kirche wurden und werden unterschiedliche Standpunkte vor allem zum Verständnis des sog. Hirntodes und zu einer Organentnahme mit Zustimmung anderer Personen vertreten. In Würdigung dieses Sachverhaltes komme ich zu folgender Einschätzung:

  1. In der Gesellschaft wie in den Kirchen hat sich eine breite prinzipielle Zustimmung zur Organtransplantation herausgebildet. Sie wird gewürdigt als eine Möglichkeit, leidenden oder gar lebensbedrohten Menschen zu helfen. Das Transplantationsgesetz schafft für die Organtransplantation einen verläßlichen rechtlichen Rahmen. Das ist eine große Chance, die bei vielen Menschen entstandenen Verunsicherungen zu überwinden.
  2. Auch die in der Minderheit gebliebene Position war bereit, den sog. Hirntod als Zeitpunkt für die Entnahme von Organen zu akzeptieren. Die getroffene gesetzliche Regelung verzichtet darauf, den sog. Hirntod ohne weiteres mit dem Tod des Menschen gleichzusetzen oder überhaupt eine Definition des Todes des Menschen vorzunehmen. Sie beschränkt sich darauf, die Feststellung des Todes des Organspenders an den Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft zu binden. Dies ist ein hilfreicher Beitrag, um die fortbestehenden Unterschiede jedenfalls zu mildern. Die Regelung ist auch offen dafür, neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft Rechnung zu tragen.
  3. Das Transplantationsgesetz schafft die Möglichkeit, daß auch nächste Angehörige in Übereinstimmung mit dem mutmaßlichen Willen eines Organspenders die Zustimmung zur Organentnahme geben können. Damit bleibt eine Kluft zu der Überzeugung derer, die jede Organentnahme an die persönliche Zustimmung des Organspenders selbst binden wollten. Diese Kluft läßt sich um so leichter ertragen, je mehr unter den Bürgerinnen und Bürgern die Bereitschaft wächst und gefördert wird, bereits zu Lebzeiten eine Verfügung über die Bereitschaft zur Spende der eigenen Organe zu treffen. Organspende ist für Christen keine Bringschuld. Aber die Evangelische Kirche in Deutschland hat seit 1989 in mehreren Äußerungen bekräftigt, daß die Organspende eine Tat der Nächstenliebe über den Tod hinaus sein kann. Sie wird sich auch weiterhin dafür einsetzen, die Bereitschaft zur Organspende zu wecken und zu stärken.

Hannover, den 25. Juni 1997

Pressestelle der EKD