Familie als Beruf der Gesellschaft verstehen

Huber schlägt Institutionen-TÜV vor

Jeder Mensch lebe in einem Familienverbund, hat der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, in einem Vortrag am Dienstagabend erläutert. „Familie haben alle. Für eine Zukunft mit Kindern“ hat der Ratsvorsitzende vor Bundestagsabgeordneten und weiteren Verantwortlichen des öffentlichen Lebens in der Französischen Friedrichstadtkirche am Berliner Gendarmenmarkt „analysiert und argumentiert“ und damit an „Zustimmung und bessere Einsicht“ appelliert, wie er selbst zu Beginn des Vortrags gesagt hat. Es gehe darum, „die Bedeutung der Familie wie das Glück mit Kindern neu zu entdecken“. Das gesellschaftliche Nachdenken über Familie brauche eine evangelische Perspektive, erläuterte Huber und erinnerte daran, dass der Rat der EKD dieses Thema mit dem Text „Was Familien brauchen“ sehr frühzeitig angestoßen habe.

Mit dem evangelischen Beitrag solle aber „keineswegs das fast schon klischeehafte Bild einer heilen oder gar heiligen Familie wieder belebt werden“. Dieses Bild sei nie realistisch gewesen, sondern „stets mehr Wunsch denn Abbild“. Doch es melde sich in der Gesellschaft eine wachsende Sehnsucht, dass das Leben in Familien gewürdigt werde. Die Rede von der Familie als Auslaufmodell, von der die Stimmung in den letzten Jahrzehnten geprägt gewesen sei, habe niemandem genützt, sondern „vielfältigen Schaden angerichtet“. Familienförderung habe es deshalb „zuallererst mit mentalen Rahmenbedingungen zu tun“, erläuterte Huber: „Sie muss mit der Frage beginnen, ob wir Familie wieder als Beruf verstehen – und zwar als Beruf der ganzen Gesellschaft“.

Wolfgang Huber führte aus, dass „fürsorgende Liebe sich im Besonderen auf Kinder“ richte. Eine kindvergessene Gesellschaft lebe falsch, führte Huber aus, ohne dabei die „Unwägbarkeiten eines Lebens mit Kindern“ zu verschweigen. Huber erinnerte in diesem Zusammenhang, dass im vergangenen Jahr nur 676.000 Kinder geboren wurden: „Hätten nur die statistisch erfassten Schwangerschaftsabbrüche sich vermeiden lassen, wären es über 800.000 gewesen.“ Hinter der Statistik würden sich individuelle Schicksale verbergen, so Wolfgang Huber, aber dass „in unserer reichen und auch mit Hilfsmöglichkeiten gut versorgten Gesellschaft die Zahl der Abtreibungen nicht deutlicher zurückging,“ sei nicht hinzunehmen.

Dabei sei die Verantwortung der Männer gefragt, lenkte Wolfgang Huber den Blick auf die möglichen Väter. Ihre Rolle müsste verstärkt zum Thema werden, forderte der Vater von drei erwachsenen Kindern. Daneben sei zudem die Freiheit für Frauen gefragt: „Wenn das Ja unserer Gesellschaft zu Kindern glaubhaft sein soll, dann muss ein allgemeiner Institutionen-TÜV der Frage gelten, wie diese Institutionen mit Familien umgehen.“

Ein „neues Ja zu Familien ist an der Zeit“, forderte der Ratsvorsitzende in seiner familienpolitischen Grundsatzrede, denn „ohne Kinder geht es nicht“. Doch er wisse: „Wenn wir über Familie und den Mut zu Kindern reden, befinden wir uns in einem Dilemma: Selbst klarste Worte, beste Gründe und scharfsinnigste Argumentationen bringen keine Kinder in die Welt.“

Hannover / Berlin, 28. März 2006

Pressestelle der EKD
Christof Vetter

Die Rede des EKD-Ratsvorsitzenden "Familie haben alle - für eine Zukunft mit Kindern" im Wortlaut