Ansprache im Ökumenischen Gottesdienst anlässlich der bundesweiten Eröffnung der Woche für das Leben 2005 am 9. April in Kassel

Bischof Heinz Josef Algermissen, Fulda

Liebe Kinder,

ich freue mich sehr, dass Ihr heute gekommen seid, um gemeinsam mit uns diesen Gottesdienst zu feiern und die Woche für das Leben 2005 zu eröffnen.

Mit Eurem Gesang, Euren Bildern und Worten und damit, dass Ihr hier seid, tragt Ihr dazu bei, dass dieser Tag, an dem es um Euch Kinder geht, auch ein Tag mit Euch Kindern ist.

Wenn ich jetzt zu den Erwachsenen spreche, dann will ich mich zum Sprecher für Euch machen. Ich sage den Erwachsenen, dass Ihr Kinder wichtig seid. Damit sie das besser verstehen, sage ich ihnen ein paar Sätze in der Sprache der Erwachsenen.

Liebe Erwachsene!

Kinder sind zuerst und vor allem Repräsentanten Gottes. Sie sind sein Geschenk, sind Gottes Kinder. Sie werden nicht erarbeitet und hergestellt, sondern empfangen. Im Zeitalter der Macher ist das eine Provokation. Viele denken, alles sei machbar, und das Machbare sei alles. Der Mensch produziert sich selbst. Das ist ein riesiger Schwindel. Das Kostbarste und Wichtigste im Leben ist uns geschenkt, wie das Leben selbst. Es ist nicht Verdienst und Leistung, sondern Gnade. Kinder müssen nicht erst Menschen werden, sie sind es. Sie sind keine kleinen Erwachsenen, aber sie wollen erwachsen werden. Sie brauchen deshalb stabile Rahmenbedingungen, Zeit und Raum, um wachsen zu können. Es schadet ihnen, wenn ihnen die Kindheit gestohlen wird. Dabei macht es keinen Unterschied, ob Armut zu diesem Ergebnis führt, der Druck ehrgeiziger Eltern oder die Anpassungszwänge der Gesellschaft. Kinder müssen ihren eigenen Standpunkt gewinnen und ein starkes Rückgrat. Sie brauchen Erziehung. Noch viel dringender benötigen sie Erwachsene, die ihnen Vertrauen schenken und Zuwendung, sich Zeit für sie nehmen können und ihnen Raum geben im eigenen Leben.

„Komm, wir wollen leben“ - so lautet das Motto des Gottesdienstes, zu dem wir uns heute versammelt haben. „Komm, wir wollen leben“ - das rufen die Kinder uns Erwachsenen zu. Die Kinder, die im Aufbruch begriffen sind, wollen uns Erwachsene mit hinein nehmen in die Hoffnung, die ihr Leben trägt.

Symbol für diese Hoffnung des Aufbruchs in eine Welt voller Farben sind die Bilder, die heute so eindrucksvoll die Martinskirche schmücken. In diesen Bildern lassen uns die Kinder augenfällig teilhaben an ihrem Leben und an ihrer Sicht der Dinge. Diese Perspektive der Kinder ist ein bunter Farbtupfer in der manchmal so grauen Alltagswirklichkeit von uns Erwachsenen, aber sie ist noch viel mehr.

„Wir heißen Kinder Gottes, und wir sind es“, sagt der Verfasser des 1. Johannesbriefes (3, 1). Der Name „Gotteskinder“ steht zusammenfassend für die neue Identität der Christinnen und Christen, ist so etwas wie ein christlicher Hoheitstitel, ein Würdename, den alle Glaubenden voll Stolz tragen dürfen.

Solche Bezeichnung öffnet uns den Blick und das Bewusstsein dafür, wie unersetzlich Kindheit und kindliche Erfahrungen für uns Menschen sind. Und wie wichtig es für uns Erwachsene ist, an der Offenheit und am Aufbruch der Kinder teilzuhaben.

Liebe Kinder und liebe Erwachsene,

miteinander wollen wir jetzt Gottesdienst feiern. Wir wollen miteinander vor Gott hintreten als seine Kinder - große wie kleine. Wir wollen unsere Gebete und Anliegen vor ihn hintragen und so einen neuen Aufbruch wagen mit ihm und miteinander.