EKD zur Gesundheitsreform: Mehr Wettbewerb im Solidarsystem

Gesundheitspolitische Stellungnahme der EKD veröffentlicht

Die notwendigen Reformen im Gesundheitswesen endlich angehen: Dies fordert die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) von der Politik am Beginn der neuen Legislaturperiode. Sie tritt dafür ein, die Position der Patienten zu stärken, das Solidarprinzip des Systems zu erhalten und stärkeren Wettbewerb zu ermöglichen. Die Stellungnahme des Rates erscheint am 14. Oktober als EKD-Text 74.

„Die Zuwendung zu Kranken und Sterbenden ist als Dienst der Gemeinde und als spezialisierte Form von Seelsorge eine der ureigensten Schwerpunkte des diakonischen Auftrags der Kirchen“, heißt es in dem von der EKD-Kammer für soziale Ordnung erarbeiteten Text. Die aktuelle Situation erfordere unverzügliches Handeln, denn unser Gesundheitswesen sei "nicht nur uneffektiv, sondern auch ungerecht geworden", urteilt der Ratsvorsitzende der EKD, Präses Manfred Kock, anlässlich der Vorstellung des Textes im Rahmen der heutigen Pressekonferenz in Berlin. "Es hat bisher der Politik der Mut gefehlt, gegen die gerade in diesem Bereich mächtigen Verbände die notwendigen Schritte zu gehen." Es gehe daher "die dringliche Bitte an Parlament und Regierung, die offensichtlich notwendigen Reformen durchzuführen".

Christen sind für solidarische Gestaltung des Gesundheitswesens

Es könne nicht die Aufgabe von Kirche sein, einzelne detaillierte Reformvorschläge auszuarbeiten, aber sie könne Probleme aufzeigen und Richtungen angeben, in denen Lösungen erfolgen müssten, so der Vorsitzende der Sozialkammer, Professor Hans-Jürgen Krupp.

Grundsätzlich plädiere die Evangelische Kirche in Deutschland deutlich für die solidarische Grundorientierung des Gesundheitswesens: "Christen sind von Anfang an erfüllt von der Überzeugung, dass menschliches Leben nur als solidarisches Leben gelingen kann", heißt es dazu in der Studie.

In dem neuen Papier, das an eine längere Studie der Sozialkammer der EKD aus dem Jahre 1994 anknüpft, werden die Fehlentwicklungen im deutschen Gesundheitssystem skizziert. „Zu den zentralen Aufgaben eines reformierten Steuerungssystems muss es gehören, (...) Einsparpotentiale – die zu keinerlei Verschlechterung der Qualität führen würden - zu erschließen". Beitragserhöhung und Budgetierung hätten die Steuerungsprobleme nicht in den Griff bekommen. Stattdessen müsse eine solidarische Wettbewerbsordnung geschaffen werden: „Es geht um Solidarität und Wettbewerb“, bringt Krupp dies auf den Punkt.

Einsparen durch Wettbewerb und Wahlfreiheit

Die Krankenkassen sollten zueinander in Konkurrenz treten. Anhand eines Kriterienkatalogs, der unterschiedliche Behandlungs- und Versorgungsangebote ermögliche, könne „der Wettbewerb gestärkt und innovativ gestaltet werden“, so die Stellungnahme. Die Zulassung von Differenzen im Leistungsangebot bei einer angemessenen Standardversorgung sei erforderlich. Auch bei der Beitragsgestaltung müssten Differenzen zulässig sein: “Hierzu könnten Bonus-Angebote für die Teilnahme an Präventionsmaßnahmen oder der Verzicht auf eine gesundheitsschädigende Verhaltensweise zählen.“

Weitere Veränderungen seien nötig, wie etwa die Neugestaltung des Risikostrukturausgleichs, die Beseitigung monopolistischer Strukturen sowie die bessere Zusammenarbeit von ambulanter und stationärer Versorgung. Eine Finanzierung von unfallbedingten Erkrankungen durch eine Unfallversicherung sei ebenfalls ein Ansatzpunkt.

Durch die gewonnene Wahlmöglichkeit und Transparenz bei medizinischen Eingriffen solle dem Patienten mehr Souveränität gegeben und damit die Macht der Krankenkassen beschränkt werden. Der Patient selber müsse sorgsam mit der eigenen Gesundheit umgehen.

Finanzierung des Solidarsystems

Ein solidarisches System könne nicht überleben, wenn sich Personen mit höherem Einkommen oder ohne Kinder aus diesem verabschieden könnten. Eine Neuregelung der Versicherungspflicht sei nötig, etwa durch die „Loslösung der Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung vom Arbeitsverhältnis und Beitragshöhe vom Lohnbezug“. Stattdessen seien alle Einkommensarten einzubeziehen. Es stelle sich damit „auch die Frage einer allgemeinen Versicherungspflicht für jede Bürgerin und für jeden Bürger in der gesetzlichen Krankenversicherung."

Hannover, 14. Oktober 2002
Pressestelle der EKD
Anita Hartmann

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