Präses Kock: Wer soll sonntags in unserem Land regieren?

24. Oktober 2002

"Die öffentliche Diskussion um den Sonntag ist der Schlüssel zum Selbstverständnis unserer gesamten Kultur". Dies sagte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Präses Manfred Kock, anlässlich der Ausstellungseröffnung "Der siebte Tag" im Haus der Geschichte, am 24. Oktober in Bonn. Der arbeitsfreie Sonntag sei unverzichtbar, weil Gemeinschaft erst in Form von gemeinsamer Zeit
ermöglicht werde.

Die Ausstellung "Der siebte Tag" zeigt die Geschichte des Sonntags als Teil der abendländischen Kultur, seine christliche Prägung und den Prozess der Säkularisierung. Dargestellt werden auch die Versuche des Staates und der Wirtschaft, auf diesen Tag zuzugreifen. In seiner Rede zur Eröffnung sagte der Ratsvorsitzende Kock, es sei der Auftrag der Kirche, "eine Gesellschaft zu erhalten, in der Menschlichkeit und Hilfsbereitschaft nicht nur Randkategorien sind." Die "Sonntagsfrage" sei die ganz grundsätzliche Frage "wer sonntags in unserem Land regieren soll: Der Geist des Geldes, der im Menschen nur einen ökonomischen Faktor sieht oder der Geist des Lebens und der Würde des Menschen."

Gerade am Sonntag habe sich "so etwas wie eine gute Verbindung von kirchlicher Tradition und Praxis auf der einen Seite und den Erfordernissen einer modernen Gesellschaft auf der anderen Seite herausgebildet." Neben Aufregung und Hektik gebe es im gleichen Umfang das Bedürfnis nach Ruhe und Entspannung.

Die jahrelangen Debatten um die Öffnung der Kaufhäuser und Einzelhandelsgeschäfte am Sonntag hätten ein vorläufiges Ende gefunden. Zur Diskussion stünden nur noch Ort und Termin betreffende Sonderregelungen. Die Kirche sei nach wie vor gegen solche Vereinbarungen.

Neben dem Gemeinschaftsgedanken gehe es beim "Siebenten Tag" auch um die Idee der Unterbrechung. Dem Alten Testament zufolge sei dies der Tag, an dem Gott ruhte, nachdem er seine Schöpfung vollendet hatte. Dieser Grundgedanke weise auf "die Wohltat der Unterbrechung für den Menschen und die Schöpfung hin." Zum anderen gedenke die Kirche am Sonntag der Auferstehung Jesu Christi: "Der Sonntag erinnert uns daran, dass wir uns nicht selber am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen können, sondern dass wir auf Gottes Hilfe angewiesen sind." So gehöre beides zusammen "die Unterbrechung des Alltags und das Erinnern an die Quelle unseres Lebens."

Mehr noch als alte Sonntagstraditionen zu bewahren, solle es darum gehen, "den Sonntag als dieses wunderbare Geschenk Gottes für alle Menschen neu zu entdecken, und darum alte und neue Formen von Sonntagskultur miteinander zu verbinden."

Hannover, den 22. Oktober 2002
Pressestelle der EKD
Anita Hartmann

Wortlaut der Rede