Eckpunkte der Gesundheitsreform enttäuschend

Ratsvorsitzender Kock kritisiert Ergebnis der Verhandlungen

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Manfred Kock, bezeichnete am Mittwoch die Ergebnisse der Konsensverhandlungen zur Gesundheitsreform als „enttäuschend“. Er vermisse Vorschläge für eine strukturelle Reform des Gesundheitswesens. Dies lasse eine negative Signalwirkung auf weitere anstehende Reformvorhaben befürchten.

Der Rat habe schon im Herbst des vergangenen Jahres eindringlich darauf hingewiesen, dass es struktureller Reformen im Gesundheitswesen bedürfe. Doch die Ergebnisse der Verhandlungen führen nur zu „einer Vielzahl von rein finanziellen Umschichtungen zu Lasten der Versicherten der Gesetzlichen Krankenversicherung“.

Erklärung des Vorsitzenden des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, Manfred Kock, zur Gesundheitsreform im Wortlaut:

Bei der Reform des Gesundheitswesens geht es darum, das solidarische Element zu erhalten, die Eigenverantwortung zu stärken und mehr Wettbewerb unter den Anbietern zu schaffen.

Am Nachmittag des 21. Juli haben die Verhandlungsführer die "Eckpunkte der Konsensverhandlungen zur Gesundheitsreform" vorgelegt. Diese "Ergebnisse" bestehen im Wesentlichen aus einer Vielzahl von rein finanziellen Umschichtungen zu Lasten der Versicherten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Diese sollen dem Ziel der Senkung der Lohnnebenkosten dienen. Vorschläge für strukturelle Reformen im deutschen Gesundheitswesen fehlen weitgehend. Dieses "Ergebnis" ist enttäuschend und gibt angesichts der zu befürchtenden Signalwirkung für die anstehenden Reformen in anderen Bereichen der sozialen Sicherung Anlass zu großer Sorge.

Der Rat der EKD unterstützt das Ziel der Senkung der Lohnnebenkosten. Er hat jedoch in seiner Stellungnahme vom Herbst des vergangenen Jahres, die unter der Überschrift "Solidarität und Wettbewerb. Für mehr Verantwortung, Selbstbestimmung und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen" (EKD-Texte 74) veröffentlicht worden ist, eindringlich auf die Notwendigkeit von strukturellen Reformen im deutschen Gesundheitswesen hingewiesen. In diesem Sinne haben sich auch die römisch-katholische Deutsche Bischofskonferenz sowie zahlreiche gesellschaftliche Gruppen, Verbände und Organisationen geäußert.

Vor diesem Hintergrund enttäuschen die "Eckpunkte" insbesondere mit Blick auf die folgenden Aspekte:

  • Die Lasten werden durch die ganz überwiegende Verschiebung von Kosten hin zu Patienten und Versicherten nicht ausgewogen verteilt. Den Patienten und Versicherten muss mehr Eigenverantwortung sowohl zugetraut als auch abverlangt werden. Mit den Eckpunkten wird ihnen nicht in ausreichendem Maße die Möglichkeit gegeben, die Kosten durch ihr Verhalten zu beeinflussen.

  • Bis auf einen Teilbereich der Versicherung der Rentner bleibt eine Verbreiterung der Finanzierungsbasis der GKV völlig aus. Es ist heute weder ethisch noch ökonomisch zu rechtfertigen, dass nur Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit für die Beiträge der GKV herangezogen werden und dass gerade diejenigen, die leistungsstärker sind, die Möglichkeit haben, sich durch den Abschluss einer "privaten" Krankenversicherung dem Solidarsystem zu entziehen.

  • Für die Schaffung von Wettbewerb unter den Anbietern sowie unter den Kassen sind keine Regelungen vorgesehen. Hier bleiben die Eckpunkte sogar hinter dem bereits eingebrachten Gesetzesentwurf zurück und verhindern wirksame Such- und Optimierungsprozesse für eine möglichst effektive und effiziente Verteilung der knappen Mittel. Die Beibehaltung der monopolistischen Strukturen, insbesondere im Bereich der ambulanten Versorgung, ist die traurige Garantie für das Fortbestehen von Über-, Unter- und Fehlversorgung und von strukturell weiter steigenden Kosten im Gesundheitswesen.

Die vorgelegten Eckpunkte erledigen nicht die Aufgabe, ein solidarisches und effektives Gesundheitssystem für Deutschland so zu gestalten, dass seine Nachhaltigkeit nicht ständig gefährdet ist.

Hannover, 23. Juli 2003

Pressestelle der EKD
Christof Vetter

Der von Manfred Kock zitierte EKD-Text zum Gesundheitswesen