Huber fordert Überwindung von Altersdiskriminierung

Erklärung zum 5. Altenbericht

Aus Sicht der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist es weder vom christlichen Menschenbild her noch gesellschaftspolitisch zu rechtfertigen, auf die aktive Gestaltungskraft älterer Menschen zu verzichten. Das erklärte der Vorsitzende des Rates der EKD, Bischof Wolfgang Huber, anlässlich der Übergabe des 5. Altenberichts an die Bundesregierung. „Die Altersbilder in unseren Köpfen, die das Alter mit Gebrechtlichkeit, Bedürftigkeit, Starrheit, Einsamkeit und Defiziten körperlicher und geistiger Art in Verbindung bringen, müssen relativiert werden“, forderte Huber. Ältere Menschen lebten heute nicht nur sehr viel länger, sondern könnten diese Lebenszeit im Durchschnitt in einer guten körperlichen, geistigen und seelischen Verfassung gestalten. „Diese Entwicklung muss nachhaltige Konsequenzen für die Wirtschafts- und Sozialpolitik haben.“

In den vergangenen Jahren seien die Älteren oft vorzeitig aus dem Erwerbleben aussortiert worden; ihre Erfahrungen werden noch immer kaum genutzt. „Diese Praxis diskriminiert die Älteren und überfordert die Jungen,“ erklärte der Ratsvorsitzende. Sie schade dem sozialen Klima und letztlich auch der Wirtschaft, da die Ressourcen Kompetenz, reifes Urteil und Erfahrungswissen verschwendet würden.

Aus kirchlicher Sicht seien viele der im Altenbericht vorgeschlagenen Maßnahmen geeignet, der gängigen Altersdiskriminierung in der Gesellschaft zu begegnen und die Generationensolidarität zu stärken. Besonders notwendig sei die Schaffung einer „demographiesensiblen Unternehmenskultur“, die Förderung von lebenslangen Lernprozessen, die gezielte Unterstützung von freiwilligem Engagement und die Stärkung familiärer und nachbarschaftlicher Unterstützungsnetze.

Die EKD hoffe, dass mit dem Altenbericht eine breite gesamtgesellschaftliche Diskussion über die Potenziale älterer Menschen eröffnet wird. Dabei dürfe aber der Blick auf die Potenziale älterer Menschen nicht einseitig sein. Eine Gesellschaft des langen Lebens sei nicht nur herausgefordert, die Potenziale älterer Menschen einzubeziehen; „sie muss auch eine neue Kultur der Fürsorglichkeit entwickeln, damit die wachsende Zahl der alten Menschen würdig gepflegt und im Sterben begleitet werden kann.“

Hannover, 30. August 2005

Pressestelle der EKD
Silke Fauzi

Es folgt die Erklärung im Wortlaut:

Erklärung des Vorsitzenden des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischof Dr. Wolfgang Huber, zur Übergabe des 5. Altenberichts der Bundesregierung am 30.08.05

Mit dem demographischen Wandel unserer Gesellschaft – steigt der Anteil der über 60-jährigen von heute 23 Prozent auf bis zu 40 Prozent im Jahre 2050 an. Damit wird die Frage, wie unsere Gesellschaft mit den Potenzialen der Älteren umgeht, zu einem der zentralen Themen der Zukunft.

Der 5. Altenbericht der Bundesregierung, der erstmals die „Potenziale des Alters für Wirtschaft und Gesellschaft“ in den Mittelpunkt stellt, verdient deshalb große Aufmerksamkeit. Aufgabe der Altenberichte ist es nicht nur, die wissenschaftlichen Befunde zum Thema „Altern und Alter“ zusammenfassend darzustellen. Sie legen auch dar, in welcher Hinsicht sich Lebensbedingungen und gesellschaftliche Altenbilder verändern müssen, um ein erfülltes Leben im Alter zu ermöglichen. Der 5. Altenbericht ist heute der Bundesregierung übergeben worden und wird Anfang des nächsten Jahres im Deutschen Bundestag beraten.

Aus Sicht der Evangelischen Kirche in Deutschland ist es weder vom christlichen Menschenbild noch gesellschaftspolitisch zu rechtfertigen, auf die aktive gesellschaftliche Mitwirkung Älterer zu verzichten. Die Altersbilder in unseren Köpfen, die das Alter mit Gebrechtlichkeit, Bedürftigkeit, Starrheit, Einsamkeit und Defiziten körperlicher und geistiger Art in Verbindung bringen, müssen korrigiert werden. Heute steht den älteren Menschen noch eine sehr viel längere Lebenspanne zur Verfügung als noch vor einigen Jahrzehnten. Nie zuvor konnten sie diese Zeit im Durchschnitt in einer so guten körperlichen, geistigen und seelischen Verfassung erleben. Diese Entwicklung muss nachhaltige Konsequenzen für die Wirtschafts- und Sozialpolitik haben.

In den vergangenen Jahren sind die Älteren oft vorzeitig aus dem Erwerbleben ausgeschieden; ihre Erfahrungen werden noch immer kaum genutzt. Diese Praxis diskriminiert die Älteren und überfordert die Jungen. Sie schadet dem sozialen Klima und letztlich auch der Wirtschaft. Denn die Ressourcen Kompetenz, reifes Urteil und Erfahrungswissen werden verschwendet.

Aus kirchlicher Sicht sind viele der im Altenbericht vorgeschlagenen Maßnahmen dazu geeignet, die Diskriminierung älterer Menschen in unserer Gesellschaft zu überwinden und die Generationensolidarität zu stärken. Besonders notwendig ist die Schaffung einer „demographiesensiblen Unternehmenskultur“, die Förderung von lebenslangen Lernprozessen, die gezielte Unterstützung von freiwilligem Engagement und die Stärkung familiärer und nachbarschaftlicher Unterstützungsnetze.

Die Evangelische Kirche in Deutschland hofft, dass mit dem Altenbericht eine breite gesamtgesellschaftliche Diskussion über die Potenziale älterer Menschen eröffnet wird. Dabei darf der Blick auf die Lebenssituation im Alter nicht einseitig sein. Die gestiegene Verletzlichkeit, die vor allem das hohe Lebensalter auszeichnet, darf nicht ausgeblendet und verdrängt werden. Zeiten der Hilfsbedürftigkeit und des Sterbens gehören ebenso wie das aktive Alter zur von Gott geschenkten Lebenszeit. Die Entwicklung zu einer durchschnittlich längeren Lebenszeit fordert nicht nur dazu heraus, die Potenziale älterer Menschen einzubeziehen; er muss sich auch eine neue Kultur der Zuwendung entwickeln, damit die wachsende Zahl der alten Menschen würdig gepflegt und im Sterben begleitet werden kann.