Wolfgang Huber: „Wir brauchen einen Werteaufschwung“

„Wirtschaftliches Handeln grundsätzlich überprüfen“ - Ratsvorsitzender präsentiert neuen EKD-Text zur Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise

Der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, hat eine Debatte über die Zukunft des Wirtschaftssystems gefordert. Bei der Vorstellung des „Wortes des Rates der EKD zur globalen Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise“, dem das biblische Zitat „Wie ein Riss in einer hohen Mauer“ aus dem Buch Jesaja vorangestellt ist, sagte er am Donnerstag in Berlin: „Das Fundament unserer Wirtschaftsordnung ist verantwortete Freiheit. Freiheit ohne Verantwortung verkommt.“

Viele trösteten sich jetzt schon damit, dass die Talsohle der Krise bereits erreicht sei und würden schon wieder vom „neuen Aufschwung“ träumen, kritisierte Huber. „Unvermindert hohe Renditeziele werden angesagt, die nur bei einem entsprechend hohen Anteil von riskantem Investmentbanking erreichbar sind. Zugleich besteht für viele Unternehmen die Gefahr, von der Wirtschaftskrise mitgerissen zu werden. Für viele Beschäftigte bleibt es noch völlig in der Schwebe, ob nach der Phase der Kurzarbeit Entlassungen bevorstehen“, so der Bischof weiter. Es stelle sich die Frage, „ob wir aus der Erschütterung irgend etwas gelernt haben“, denn noch sei „nicht ausgemacht, ob internationale Kontrollinstitutionen so ausgebaut und ausgestattet werden, dass sie mit der Dynamik der globalen Finanzmärkte Schritt halten.“

Der Ratsvorsitzende mahnte eine Weiterentwicklung der Sozialen Marktwirtschaft an: „Eigennutz als Triebkraft der Marktwirtschaft braucht die Verpflichtung auf das Gemeinwohl. Wenn die gesamte Lebenswirklichkeit dem Gewinnstreben unterworfen wird, verkehrt sich der ökonomische Nutzen in einen Verlust an Lebenswert. Der gesellschaftliche Wohlstand sinkt, das Gemeinwohl zerfällt, die Umweltzerstörung nimmt zu, die Lasten für die kommenden Generationen werden übermächtig.“

Laut Huber habe „ein Mangel an Verantwortungsbewusstsein maßgeblich zur aktuellen Krise beigetragen.“ Deshalb, so der Bischof, „brauchen wir jetzt nicht nur einen Konjunkturaufschwung, sondern auch einen Werteaufschwung.“ Ausdrücklich begrüßte der Ratsvorsitzende Anzeichen eines Mentalitätswandel im Umgang mit der Krise: „Verantwortung bedeutet, aus der Krise zu lernen und im Sinn nachhaltigen Wirtschaftens umzusteuern.“ Weiter sagte Huber: „Hoffnung schöpfe ich aus einem neuen Interesse an ethischen Maßstäben wirtschaftlichen Handelns, aus ernsthaften Diskussionen über die Zukunft unserer Wirtschaftsordnung, aus drängendem Nachfragen nach politischen Rahmenbedingungen der Globalisierung. Ermutigen möchte ich diejenigen Politikerinnen und Politiker, die weiter schauen als bis zum nächsten Wahltermin, und ebenso die Verantwortlichen in der Wirtschaft, die weiter schauen als bis zum nächsten Quartalstermin. Der entscheidende Impuls für unser Wort zur Finanz- und Wirtschaftskrise aber ist die biblische Einsicht, dass Umkehr möglich ist, wenn wir unser Vertrauen auf Gott setzen.“

Hannover, 02. Juli 2009

Pressestelle der EKD
Reinhard Mawick

Hinweis:

Der EKD-Text 100 ("Wie ein Riss in einer hohen Mauer") ist zu einem Stückpreis von € 0,60 erhältlich beim Kirchenamt der EKD (Herrenhäuser Straße 12, 30419 Hannover, Telefon: 0511/2796-460, Email: versand@ekd.de)

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