Huber lobt Engagement der Handwerker in der Kirche

Handwerk und Kirche weisen große Schnittmenge auf

Wahrnehmungsdefizite im Blick auf die Rolle des Handwerks und seine gesellschaftliche Bedeutung stellt der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber fest. In einem Leitartikel über die „Kirchliche Handwerkerarbeit“ in der Zeitschrift „Handwerk und Kirche“, die zur Bundestagung „Evangelische Handwerkerarbeit – eine Kernaufgabe in der Gemeindearbeit“ von 30. September bis 2. Oktober in Villigst erscheint, schreibt der Ratsvorsitzende, dass die Kirche „die Menschen in dieser Arbeitswelt wahrnehmen, sie in ihrer Situation verstehen und ihr Anliegen bedenken möchte“. Dabei seien Kirche und Handwerk aufs intensivste miteinander verflochten: „Handwerk und Kirche sind daher zwei wichtige Bereiche unserer Gesellschaft, die eine große Schnittmenge aufweisen.“

Bei gemeinsamen Aktionen zwischen dem Handwerk und der Kirche werde schnell deutlich, so der Ratsvorsitzende, dass das Handwerk ein großer und bedeutender Bereich der Wirtschaft ist. Das Handwerk trage maßgeblich zur Versorgung der Bevölkerung mit Gütern und Dienstleistungen in der Region sowie zu Wohlstand, Beschäftigung und sozialer Sicherung bei. Dabei blieben

Handwerk und mittelständische Betriebe nicht unberührt von dem Druck wirtschaftlicher Konzentration und weltwirtschaftlicher Zwänge und leiste mit Ausbildung und Arbeitsplatzbeschaffung einen wichtigen Beitrag zum Gemeinwohl. Wolfgang Huber stellt ausdrücklich fest: „Die Ausbildungsbereitschaft des Handwerks ist überproportional.“ Viele Handwerksbetriebe seien in der Regel auf einen überschaubaren Raum bezogen und in diesem Raum verwurzelt, die dort arbeitenden Menschen haben erfreulicherweise oft eine starke kirchliche Bindung. Huber weiß, viele Handwerker und Handwerkerinnen sind in Kirchengemeinden aktiv, auch in deren Leitungsgremien, und bringen dort ihre besonderen Kompetenzen ein.

Das Ziel, die „kirchliche Handwerkerarbeit“ zu intensivieren, wie es in der Denkschrift „Handwerk als Chance“ angekündigt sei, auch wenn sich angesichts der sich verändernden finanziellen und personellen Ressourcen der Kirche, sich Formen der Arbeit ändern werden: „Damit verbinden sich nicht nur Einschnitte, sondern auch neue Chancen. Dabei wird es darauf ankommen, angesichts der großen Überschneidungsbereiche zwischen Handwerk und Kirche, die Möglichkeiten zu Gespräch und Engagement stärker wahrzunehmen,“ schreibt der Ratsvorsitzende zur Zukunft kirchlicher Handwerkerarbeit. Neue Arbeitsformen werden sich entwickeln müssen, dabei baut der Ratsvorsitzende auch auf das Engagement der Vertreter des Handwerks in den kirchlichen Leitungsgremien. „Für die kirchliche Handwerksarbeit gilt wie für andere kirchliche Arbeitsbereiche auch: Eine Kirche, die sich an Jesus von Nazareth, dem Sohn eines Zimmermanns, orientiert, wendet sich auch unter den heutigen Bedingungen den Menschen zu, auch in ihrer Arbeitssituation. Sie ist eine die Menschen aufsuchende, seelsorgerliche und zugleich gesellschaftlich engagierte Kirche.“

Hannover, 28. September  2005

Pressestelle der EKD
Christof Vetter

Die EKD-Denkschrift "Handwerk als Chance"

Der Artikel von Bischof Huber im Wortlaut:

Kirchliche Handwerkerarbeit aus Sicht der Kirche

Von Bischof Dr. Wolfgang Huber, Vorsitzender des Rates der EKD

Selbständige wie Beschäftigte im Handwerk haben oft das Gefühl, in der Öffentlichkeit sei vor allem von den großen Firmen und Industriebetrieben, von ihrer Ertragslage und ihren Managern die Rede. Sie vom Handwerk würden dagegen kaum wahrgenommen. Betrachtet man die Darstellung und Diskussion von Wirtschaftsfragen in den Medien, dann spricht auf den ersten Blick manches für diesen Eindruck. Zweifellos gibt es Wahrnehmungsdefizite im Blick auf die Rolle des Handwerks und seine gesellschaftliche Bedeutung, nicht zuletzt für die soziale Marktwirtschaft.

Die kleine Broschüre "Handwerk als Chance! Warum Kirche sich engagiert", eine Zusammenfassung der 1997 erschienenen Denkschrift der EKD "Handwerk als Chance", beginnt daher bewusst mit den Worten: "Die Evangelische Kirche beschäftigt sich mit dem Handwerk, weil sie die Menschen in dieser Arbeitswelt wahrnehmen, sie in ihrer Situation verstehen und ihr Anliegen bedenken möchte." Den Verantwortlichen in unserer evangelischen Kirche ist bewusst: Ohne eine genaue Wahrnehmung der Leistungen und der Probleme des Handwerks in unserer Gesellschaft sind gelingende Beziehungen zwischen Handwerk und Kirche nicht denkbar. Dabei sollte von Anfang an deutlich sein, dass Kirche und Handwerk selbstverständlich nicht zwei sich getrennt gegenüberstehende Größen sind, sondern vielmehr schon immer auf das intensivste miteinander verflochten sind: Viele Handwerkerinnen und Handwerker sind bewusste Christen und Glieder ihrer Kirche, die Kirche nutzt beständig die Dienstleistungen des Handwerks, gerade im Bereich unserer Diakonie gibt es anerkannte handwerkliche Arbeit in vielfältigen Formen. Handwerk und Kirche sind daher zwei wichtige Bereiche unserer Gesellschaft, die eine große Schnittmenge aufweisen. Was könnte es vor diesem Hintergrund insbesondere für Kirchengemeinden bedeuten, das Handwerk, kleine und mittlere Betriebe und die in ihnen arbeitenden Menschen genauer wahrzunehmen?

Wenn Vertreter und Vertreterinnen der Kirche und Menschen aus dem Bereich des Handwerks gemeinsame Aktionen planen und durchführen, wird schnell deutlich:

"Das Handwerk ist ein großer und bedeutender Bereich unserer Wirtschaft. Er trägt maßgeblich zur Versorgung der Bevölkerung mit Gütern und Dienstleistungen in der Region sowie zu Wohlstand, Beschäftigung und sozialer Sicherung bei." (Denkschrift, S. 11)

Handwerk und mittelständische Betriebe, bleiben nicht unberührt von dem Druck wirtschaftlicher Konzentration und weltwirtschaftlicher Zwänge.

"Das Handwerk leistet mit Ausbildung und Arbeitsplatzbeschaffung einen wichtigen Beitrag zum Gemeinwohl." (Denkschrift, S. 14) Die Ausbildungsbereitschaft des Handwerks ist überproportional.
Handwerksbetriebe sind in der Regel auf einen überschaubaren Raum (Dorf, Stadtteil, Region) bezogen und dort verwurzelt.

Handwerker und Handwerkerinnen haben erfreulicherweise oft eine sehr starke kirchliche Bindung.

Viele Handwerker und Handwerkerinnen sind in Kirchengemeinden aktiv, auch in deren Leitungsgremien, und bringen dort ihre besonderen Kompetenzen ein – nicht nur, aber auch, wenn es um Baufragen geht.

Aus den eben genannten Fakten lassen sich bereits einige Gründe und Aufgaben für kirchliche Handwerkerarbeit ableiten. Ich konzentriere mich hier auf die Ebene der Kirchengemeinden als die den Menschen unmittelbar zugewandte Grundform unserer Kirche.

Zwar ist die kirchliche Handwerkerarbeit im Bereich der evangelischen Landeskirchen formal als Teil des Kirchlichen Dienstes in der Arbeitswelt, als Arbeitszweig evangelischer Akademien, als Beauftragung von Pfarrern, als Teil der Männerarbeit oder als Aufgabe des Landeskirchenamtes organisiert; dies führt jedoch nicht dazu, dass Kirchengemeinden sich im Blick auf Handwerkerarbeit als nicht zuständig ansehen.

Zu den besonderen Gründen und Chancen für Begegnungen und gemeinsame Aktionen von Kirche und Handwerk auf der Ebene der Ortsgemeinden zählen insbesondere:

Die wirtschaftlichen und technologischen Entwicklungen in Deutschland und weltweit können nicht nur zu wirtschaftlichen, sondern auch zu seelischen Notlagen von Handwerkern und Handwerkerinnen führen. Viele von ihnen sind in ihrem Lebensalltag mit sozialen und ethischen Problemen konfrontiert, mit denen sie sich oft allein fühlen (etwa mit der Frage: Wie kann ich in einer wirtschaftlich schwierigen Situation meiner Verantwortung für die Mitarbeiter gerecht werden?). Gemeindepastoren und -pastorinnen als Vertrauenspersonen vor Ort sollten deshalb informierte und einfühlsame Seelsorger für Menschen im Handwerk, nicht zuletzt für Handwerkerfamilien, sein.

"Die Verbindung zu der jüngeren Generation in der kirchlichen Handwerkerarbeit und zu den Frauenorganisationen im Handwerk ist stark verbesserungsbedürftig. Die abhängig Beschäftigten im Handwerk (Lehrlinge, Angelernte und Gesellen) stehen zum Teil zu wenig im Blickpunkt der kirchlichen Arbeit." (Denkschrift, S. 24). Durch Kontakte zu den ortsansässigen Handwerksbetrieben und durch Jugendarbeit können Kirchengemeinden diesem Mangel wirksam abhelfen.

Insofern gerade kleine und mittlere Handwerksbetriebe auch Jugendliche ausbilden, die von ihren Bildungsabschlüssen eher zu den "Schwachen" gehören, sollten Vertreter der Kirchengemeinde dies öffentlich würdigen und durch Ermutigung unterstützen. Die Situation jugendlicher Migranten und Migrantinnen ist dabei besonders zu beachten.

Gute Erfahrungen haben Kirchengemeinden mit der Kontaktanbahnung zwischen Konfirmanden und Betrieben gemacht.

In ihren Veranstaltungen, z.B. auf Gemeindeabenden, können Kirchengemeinden Lebensfragen des Handwerks thematisieren.

Kirchenvorstände sollten sich ihre Verantwortung als Auftraggeber für örtlich ansässige Handwerksbetriebe bewusst machen.

Wo Vertreter einer Kirchengemeinde und des Handwerks, die im gleichen Gemeinwesen wohnen bzw. zur gleichen Kirchengemeinde gehören, eine gemeinsame Vertrauensbasis haben, sollten auch gegenseitige kritische Anfragen möglich sein, wo sie von der Sache her geboten sind.

Neben den Chancen und Möglichkeiten kirchlicher Handwerkerarbeit auf der Gemeindeebene gibt es auch Aufgaben, die deutlich über deren Grenzen hinausweisen:

Viele bewährte Formen kirchlicher Handwerkerarbeit – wie Studientage zu wirtschafts- und sozialethischen Grundfragen, Fachtagungen (Gildentage), Arbeitskreise, Handwerkergottesdienste, Mitwirkung bei Freisprechungsfeiern, gemeinsame ökologische oder entwicklungspolitische Projekte – lassen sich in der Regel eher auf regionaler Ebene (mehrere Kirchengemeinden; Kirchenkreis; Sprengel) als auf kirchengemeindlicher Ebene durchführen.

Zugleich ist zu bedenken: Die finanziellen und personellen Ressourcen der evangelischen Kirchen in Deutschland werden in den nächsten Jahren knapper werden. Das liegt nicht, wie oft vermutet, in erster Linie an den Kirchenaustritten, sondern an der demographischen Entwicklung, an dem Rückgang von Erwerbsarbeit  und an Änderungen im Steuersystem. In einer solchen Situation können nicht alle Aufgaben vor Ort wahrgenommen werden. Kooperation und Konzentration sind unvermeidlich. Manches, was für unverzichtbar angesehen wird, wird stärker von Ehrenamtlichen geleistet werden müssen.

Die 6. These der Denkschrift "Handwerk als Chance" lautet: "Das Gespräch zwischen Kirche und Handwerk muss vertieft werden." Und unter den "Zukunftsperspektiven für das Handwerk" wird genannt: "Die kirchliche Handwerkerarbeit intensivieren." Diese Ziele gelten nach wie vor. Die evangelische Kirche wird auch in Zukunft die Handwerkerarbeit weiterführen. Aber die Formen dieser Arbeit werden sich ändern. Damit verbinden sich nicht nur Einschnitte, sondern auch neue Chancen. Dabei wird es darauf ankommen, angesichts der großen Überschneidungsbereiche zwischen Handwerk und Kirche die Möglichkeiten zu Gespräch und Engagement stärker wahrzunehmen.

Neue Arbeitsformen werden sich in allen Bereichen des kirchlichen Handelns entwickeln müssen. Hier ist nicht nur die Phantasie der hauptberuflichen kirchlichen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gefragt, sondern auch das ehrenamtliche Engagement von Gemeindegliedern, besonders von Kirchenvorständen, auch von Vertretern des Handwerks.

Für die kirchliche Handwerkerarbeit gilt wie für andere kirchliche Arbeitsbereich auch: Eine Kirche, die sich an Jesus von Nazareth, dem Sohn eines Zimmermanns, orientiert, wendet sich auch unter den heutigen Bedingungen den Menschen zu, auch in ihrer Arbeitssituation. Sie ist eine die Menschen aufsuchende, seelsorgerliche und zugleich gesellschaftlich engagierte Kirche.